Jetzt ist es schon wieder eine halbe Ewigkeit her, dass ich einen Blog-Eintrag verfasst habe und ich muss tatsächlich meine Bilder angucken um mich zu erinnern, was alles in der Zwischenzeit passiert ist…
Um alles im Detail zu erklären müsste ich sowohl das Medium wechseln und ein Buch schreiben, als auch müsste ich die Muße dafür aufbringen, was bei 33 Grad am schönsten Strand in Ghana etwas schwer fällt.
Alle Prüfungen habe ich erfolgreich hinter mich gebracht, bin aus dem International Student Hostel ausgezogen und bin jetzt für einige Tage in an Ghanas Westküste, um dort zu entspannen, zu surfen, frischen Fisch zu essen und mich von der Sonne verbrennen zu lassen…
Viele meiner Kommilitonen sind bereits abgereist, Nick ist heute zurück in die USA geflogen nachdem er hier einige Tage mit mir am Strand war, Sarah werde ich wohl noch wieder sehen aber die Mehrheit dürfte schon über die Landesgrenzen hinweg sein. So auch mein geliebter mitreisender, der aufgrund eines Medizinischen Vorfalls früher heimfliegen musste und wohl jetzt deutsches Brot, echten Kaffee, Käse, Glühwein in die Weihnachtszeit in gewohnter Atmosphäre genießt.
Ich hingegen bin so weit entfernt von Weihnachtsstimmung wie man wohl nur sein kann und daran können leider auch die kleinen Tannenzweige, Weihnachtskarten und Kerzen, die mir meine Eltern geschickt haben, nicht wirklich viel ändern. Dabei war das Wetter in der tatsächlichen Weihnachtsnacht irgendwo in der Einöde Palästinas wohl eher wie jetzt gerade bei mir, aber da setzt sich eben die Tradition und Prägung durch, die Weihnachten unweigerlich mit Schnee, Tannenbäumen und Kälte verbindet. So ist es nunmal und ich möchte mich nicht über meine Lage beschweren 🙂
Nun aber in Retrospektive ein Abriss der letzten Monate:
Unterwegs in Chorkor
Der Assistance Registrar vom Internaitonal Programms Office der Uniersity of Ghana hatte Chris und mich schon zu Beginn des Studiums eingeladen, dass er uns im Stadtteil Chorkor herumführen möchte, als er hörte, dass wir dort ein Praktikum absolvieren würden. Als sich das Praktikum beim After School Care Program BASICS bereits dem Ende näherte schafften wir es endlich, einen gemeinsamen Termin zu finden.
Unsere Erfahrung hat uns gezeigt, dass es besonders in Stadtteilen wie Chorkor sehr Sinnvoll ist, einen lokalkundigen Ghanaer bei sich zu haben. Nicht, weil es sonst gefährlich wäre, sondern eher, weil es sonst leicht nach Sensationstourismus aussehen kann indem der „Weiße Mann“ sich eben mal „das Elend“ angucken möchte.
In sofern waren wir sehr Froh, Daniel bei uns zu haben. Ich hatte ja bereits einige Arbeitstage in Chorkor verbracht, jedoch nie einen so detaillierten Einblick bekommen.
Gemeinsam schlenderten wir durch die engen, lehmigen Gassen zum Strand. Der Strand jedoch war gesäumt von Müllbergen und verlor somit recht abrupt seinen Charme. Wenn man eine Idee davon bekommen möchte, was Plastikmüll in einer Wegwerfgesellschaft anrichten kann, dann ist Ghana neben vielen anderen Ländern eine Paradebeispiel. Recycling ist ein Fremdwort, überall liegt Plastikmüll herum, wird verbrannt, an Orten wie diesem Strand gestapelt oder gammelt einfach in den Abflüssen vor sich hin, was jährlich zur Regenzeit zu gefährlichen und gefährdenden Überschwemmungen in Accra führt.
Mit deutlich spürbarer Betroffenheit berichtete uns Daniel davon, wie es dort noch vor wenigen Jahrzehnten ausgesehen hatte und wie die Regierung und die Verantwortlichen konsequent nichts an der Situation verändern sondern sich eher um internationale Bauprojekte und die reicheren Viertel Accras kümmert. Das hat seines Erachtens jedoch nur einen Anteil an der momentanen Lage, das Größte Problem seien die Unmengen von Plastikmüll, die tagtäglich in Accra produziert, verbraucht und weggeworfen werden. Ein Paradebeispiel hierfür ist die nahegelegene „Lagune“. Daniel berichtete uns, dass hier vor zwanzig Jahren noch Kinder unter Palmen im azurblauen Wasser spielten. Heute ist die gesamte Lagune gefüllt mit Plastiktüten, Dosen, Flaschen und anderweitigem Müll. Seine Beschreibung, wie es hier vor zwei Jahrzehnten ausgesehen hat, ist für uns angesichts der aktuellen Lage kaum vorstellbar. Die gesamte Lagune ist ein riesiges Feld von qualmendem, stinkenden Müll in dem Kinder nach Verwertbaren und abgemagerte Tiere nach Essbarem suchen. Ecken wie diese gibt es viele in Accra und es verblüfft und schockt mich immer wieder, dass Stadtteile wie Chorkor nur wenige Minuten entfernt von stacheldraht-gesäumten Villenvierteln existieren und ein kleines Paralleluniversum bilden (oder anders herum). In Accra zeigen sich besonders deutlich die verschiedenen Gesichter der ghanaischen Realität, auch wenn die Metropole sich wohl lieber über die westlich-orientierten Shopping Malls, die Sterne Hotels oder das architektonisch anspruchsvolle National Theater charakterisieren würde.
Shai Hills
Ein deutlich malerischer Anblick bot sich mir, als ich gemeinsam mit unserem deutschen Freund Julian und Sarah zu den Shai Hills gefahren bin. Ungefähr zwei Stunden entfernt von Accra liegt dieses kleine Ressort, was neben Pavianen vor allem Busch-Wild beheimatet und eine atemberaubend grüne und ruhige Abwechslung zu staubigen Straßen Accras darstellt. Hier bietet sich dem Auge eine Landschaft, die ein wenig wie über-romantisiertes Bilderbuch-Afrika anmutet. Weite gelb-grüne Ebenen gesäumt von steinigen Hügeln, Baobabs, Antilopen in hohem Gras und eine tiefstehende, glühende Sonnenscheibe. Hier wanderten wir für einige Stunden und erkundeten die frühere Heimat des Shai-Volks, welches von den umliegenden Stämmen, besonders den Ashanti, bekämpft und nahezu komplett vernichtet wurde. Überall findet man Überbleibsel dieser Zeit, die sich in zerfallenen Tongefäßen oder gemeißelten Steinschalen widerspiegelt.
Wer erkundeten Höhlen, spielten mit riesigen Tausendfüßlern und fütterten die Paviane mit Mangos, wenn sie nicht vorher in unseren eigenen Mündern landeten.
Im TroTro machten wir uns anschließend wieder auf den Heimweg und erreichten Accra kurz nach Einbruch der Dunkelheit.
Nigerianisch-Ghanaisch-Deutsches Essen
Zwei nigerianische Freunde hatten uns vor ein paar Wochen eingeladen um für uns nigerianisches Essen zu kochen. Wir hatten einen wirklich wundervollen Abend, viel Spaß und köstliches Essen bestehend aus Fufu, Yam, Hühnchen, Ziege und einer gelben, körnigen Sauce, deren genaue Bestandteile mir leider nicht mehr im Kopf geblieben sind.
Zwei ghanaische junge Frauen waren auch bei dem Essen eingeladen und am Ende des Abends beschlossen wir, dass sie für uns alle ghanaisch kochen würden und wir abschließend deutsches Essen zubereiten würden. Zwei Wochen später saßen wir in ähnlicher Konstellation in einem anderen Studenthostel und aßen gebratene Kochbananen, Yam und Gardeneg-Sauce und Rind. Das Schönste an der Sache war, dass wir immer mehr Leute wurden, immer kamen neue Menschen dazu und immer hatten wir tolle Gespräche und unendlich viel zu lachen.
Aufgrund der Prüfungsphase gestaltete es sich etwas schwierig, einen gemeinsamen Termin für das abschließende deutsche Essen zu finden. Schließlich einigten wir uns aber und so trafen wir uns in großer Runde in unserem Studentenzimmer. Wir wollten eigentlich Kassler mit Sauerkraut zubereiten, jedoch konnten wir die Zutaten leider nicht finden. Also kochten Chris, Julian und ich stattdessen Bratkartoffeln mit Bratwürstchen, Spinat und Spiegelei. Es schmeckte aufgrund der begrenzten Kochutensilien und Zutaten nicht ganz wie daheim, aber es war so nah an deutschem Essen, wie wir unter diesen Umständen nur kommen konnten. Geschmeckt hat es auch allen (zumindest nach ihrer Aussage) und wir hatten einen tollen Abschiedsabend mit einigen unserer Freunde. Das ist der einzige Grund, warum ich auch etwas traurig bin, dass die Uni jetzt vorbei ist. Gerade jetzt, wo die Freundschaften tiefer und enger werden könnten findet unsere Zeit auf dem Campus ein Ende, was zwangsläufig bedeutet, dass die Freundschaften darunter leiden werden. Ich habe wirklich viele tolle und einzigartige Menschen kennen gelernt, zu denen ich gerne eine noch tiefere Freundschaft aufbauen würde. Die Frage ist natürlich, in wiefern das über die Landesgrenzen hinweg in Zukunft möglich sein wird und ehrlich gesagt ist es vielleicht auch gar nicht unbedingt nötig. Ich hatte eine wundervolle Zeit in Ghana mit wundervollen Menschen. Das für sich kann einfach so stehen und in guter Erinnerung bleiben…
Praktikum B.A.S.I.C.S
Wie ja schon in einigen Blogeinträgen erwähnt habe ich die ganze Zeit über einmal pro Woche bei dem After School Care Program „B.A.S.I.C.S“ in Chorkor gearbeitet, habe dort die Schüler nach der Schule betreut, ihnen bei den Hausaufgaben geholfen und gemeinsam mit Armedor einen Tanz- und Musicworkshop geleitet. Den letzten Monat habe ich zudem damit verbracht, gemeinsam mit dem Mann der Leiterin, Alotey, ein Recycling Projekt in die Wege zu leiten. Gemeinsam haben wir Pläne entworfen, um das Prinzip von Recycling in einfache und anschauliche Häppchen präsentieren zu können. Wir wollten einen der „Say it loud“ Tage (an denen die Schüler einmal im Monat über ein bestimmtes Thema diskutieren können) dafür nutzen, um mit den Kindern und den Mitarbeitern über die Bedeutung und den Nutzen von Recycling zu sprechen. Gemeinsam mit Alotey und zwei israelischen Freiwilligen hatte ich schon einige Monate zuvor begonnen, die Abfälle aus der Küche zu kompostieren. Während des Say it loud wollten wir den Kindern und Mitarbeitern zeigen, was man aus Papier, Plastik und Glas machen und wie all dies im großen und kleinen Rahmen recycelt werden kann. Darüber hatten die Meisten schon Vorwissen, weil bereits Projekte mit den Kindern gestartet worden waren und beispielsweise die Plastik-Wasserbeutel bei B.A.S.I.C.S immer in einen extra Behälter geschmissen und anschließend verkauft werden. Schwieriger gestaltete sich das beim Kompostieren. Viele der Kinder und noch weniger die Mitarbeiter verstanden so richtig, worum es eigentlich gehen sollte und wofür es denn gut sei. Dass Plastik in der Umwelt für Probleme sorgt konnten sie nachvollziehen, aber die Mühen des Kompostierens erschienen Ihnen meines Erachtens zu Aufwendig und umständlich.
Dennoch glaube ich, dass der Tag ein voller Erfolg war. Es ging in erster Linie ja nicht darum, dass sofort alle anfangen, ihren Müll zu trennen und nicht mehr alles zu verbrennen, sondern vielmehr darum, das Bewusstsein zu schärfen. Das ist uns bei den Kindern wohl besser gelungen, als bei den Mitarbeitern…
Zusätzlich haben wir neue große Mülleimer für Plastik und Papier installiert und die Schüler in verschiedene Gruppen eingeteilt. Einmal pro Woche sollen die Container ausgeleert werden und die Gruppe mit dem meisten getrennten Plastik oder Papier wird belohnt. Somit hoffen wir, dass sich die Schüler gegenseitig kontrollieren und somit das Prinzip von Recycling und Mülltrennung transportiert und umgesetzt wird.
Dass dieses Projekt nur ein kleiner Kiesel in einem Haufen von Stein ist steht außer Frage und ob sich dadurch etwas in Chorkor ändert kann jetzt noch nicht beurteilt werden. Jedoch braucht es auch nur einen kleinen Stein um eine Lawine auszulösen und die Kinder von heute sind schließlich diejenigen, die morgen Entscheidungen fällen. Müll (sowohl selbst produzierter als auch importierter Elektroschrott) ist in Ghana ein riesiges Problem das „gelöst“ wird, indem alles verbuddelt oder verbrannt wird. Zwar gibt es mittlerweile einige spezialisierte Recycling-Unternehmen, die in Ghana ansässig sind, jedoch wird sich an der aktuellen Situation nichts ändern, wenn die Menschen nicht wissen und verstehen, welchen Nutzen und Sinn das Recycling hat. Deshalb glaube ich, dass es unumgänglich ist, die Kinder von heute für dieses Thema zu sensibilisieren.
Campus Impressionen
Wie gesagt habe ich den Campus der University of Ghana bereits verlassen, jedoch habe ich das Gefühl, dass ich darüber sehr wenig berichtet habe. Das ist mir aufgefallen, als ich an einem meiner letzten Tage Fotos von verschiedenen Dingen gemacht habe, die für mich mittlerweile zur Alltäglichkeit geworden waren. Dennoch möchte ich jetzt kurz darüber berichten, wie das Leben auf dem Campus für mich ausgesehen hat. Wie bereits erwähnt habe ich im International Students Hostel 1 gelebt, welches direkt gegenüber vom International Students Hostel 2 liegt. Hinter meinem Hostel liegt nach einer ausgedehnten Grünfläche mit Mangobäumen der Pool mit Springturm (der jedoch nicht betreten werden darf) sowie das University of Ghana Stadion, welches sein acht Jahren gebaut wird und scheinbar nie fertig werden wird. Die Laufbahn ist jedoch astrein und hier war ich mehrmals pro Woche laufen. Hinter dem Stadion befindet sich die Okponglo-Kreuzung, an der die TroTros richtung Innenstadt halten. In den meisten Studentenhostels gibt es einen Shop und ein kleines Restaurant. Das Essen ist jedoch verhältnismäßig sehr teuer, weshalb wir immer auf dem night marked direkt hinter ISH 2 gegessen haben. Hier und im direkt angrenzenden kleinen Supermarkt bekommt man im Prinzip alles, was man fürs Tägliche Leben braucht. Das Essen ist gut und günstig, hier haben wir wechselweise Fufu, Banku, Jollof Rice oder fried Yam für drei Cedis (umgerechnet weniger als ein Euro) gegessen. Gegenüber vom night marked ist ein Kebab-Stand, an dem Baba die besten Würstchen, Hähnchen-, Ziegen-, und Innereienspieße mit dem berühmten ghanaischen Pepper, einer Pepperoni-Gewürzmischung, verkauft. Der Campus ist ein riesiges und im Grunde unüberschaubares Gebiet von Professorenhäusern, Studentenwohnheimen und Lehrgebäuden. Fast alle Professorenfamilien und die 42.000 Studenten leben auf dem Campusgelände in verschiedenen Wohnheimen. Die Fakultäten sind geographisch voneinander getrennt und am Anfang gab man uns eine Landkarte, auf der alles Wichtige vermerkt war. Die meisten Lehrgebäude sind einstöckige Häuser mit Holzbänken wie in einer alten Schule, es gibt jedoch Ausnahmen wie beispielsweise das JQ-Building, was aus mehrstöckigen, großen Hörsälen besteht. Das Zentrum des Universitätsgeländes bildet eine große Straße, die vom Haupteingang zur Commonwealth-Hall, einer der renommiertesten Studentenherbergen am Campus, führt und von der im 90° Winkel Straßen in verschiedene Richtungen abzweigen. Herzstück der University of Ghana ist die Balm-Bibliothek, welche von der Hauptstraße abzweigt. Vor der Bibliothek ist ein großer Brunnen, gesäumt von verschiedenen Bronzefiguren. Die Balm-Bibliothek ist die größte und am besten ausgestattete in ganz West Afrika, dennoch haben wir aufgrund des Mitarbeiterstreiks nie die Möglichkeit gehabt, Bücher auszuleihen 🙂
Außerdem hat die Universität neben dem unter Bauarbeiten stehenden Stadion noch drei Fußballplätze, ein Rugby-Feld, mehrere Basketball-Courts, einen outdoor Handball- und Volleyball-Court. Um die Größe des Geländes etwas besser zu veranschaulichen bietet es sich an, die Distanz in Laufminuten zu erläutern. Zu Fuß brauchten wir von unserem Hostel bis zu unseren Lehrgebäuden oder dem International Programms Office ungefähr eine halbe Stunde. Gott sei Dank hatten wir ja das Motorrad, sonst weiß ich nicht, wie ich das alles geschafft hätte. Im Grunde könnte man die gesamte Zeit nur auf dem Campus verbringen und das führt dazu, dass es ein wenig wie eine grüne Seifenblase am Rande Accras ist. Jedoch ist genau das ein Teil Accras und ein Teil Ghanas, genauso wie die staubige Innenstadt, der wüste Verkehr oder der kunterbunt-einsaugende Makola Markt. Viel mehr ist über den Campus nicht zu sagen. Zusammenfassend handelt es sich um ein großes, unübersichtliches Gelände voll von teilweise heruntergekommenen und teilweise prächtigen Gebäuden. Die Universität wurde von den britischen Besatzern aus Partneruniversität errichtet und es wird deutlich, dass das gesamte System zwar von den Ghanaern übernommen wurde, es jedoch nicht aus ihren Reihen stammt. Alles funktioniert irgendwie, aber auch nicht so richtig, und wenn mal etwas nicht nach Plan läuft, dann scheint keiner zu wissen, wie mit der Situation umgegangen werden soll. Es wirkt so, als sei hier ein System aufgestülpt worden, was zwar oberflächlich verstanden, aber nicht durchdrungen wird, einfach weil es konträr zu vielen ghanaischen Kultureigenschaften (die für sich gesehen positiv sind) steht. Es funktioniert jedenfalls nicht so richtig und obwohl es eine großartige Erfahrung war bin ich nicht unglücklich darüber, dass ich den ganzen bürokratischen Stress mit den Kurswahlen etc. nicht noch ein weiteres Semester durchmachen muss 🙂
Man muss jedoch dazu sagen, dass es im Grunde gar kein Problem der Leute hier ist. Es ist nur nicht ihrer Kultur und Vorstellung entsprechend und somit scheint es, als würden sie sich permanent in einem Universitäts-System bewegen, welches eigentlich nicht ihres ist.
Jetzt habe ich schon wieder so viele Sätze geschrieben und befürchte, dass einige von euch schon gar nicht mehr weiter lesen wollen. Deshalb werde ich einige weitere Ereignisse nur knapp zusammenfassen.
Sonnenfinsternis
Über Ghana und Westafrika war im letzten Monat eine fast komplette Sonnenfinsternis zu beobachten. Gemeinsam mit Freunden von der Uni und meinem Praktikum gingen wir zu Accras Planetarium, um das Spektakel zu beobachten. Zwei große ghanaische Fernsehsender waren auch vor Ort und wir versuchten mit Erfolg, uns in die Live-Aufnahmen zu schleichen und im Hintergrund herumzustehen und wie benebelt in die Sonne zu starren. Der Plan ging auf und ich wurde sogar zu einem Interview mit Ghana Television gebeten, in dem ich mit geschwollener Brust mein Unwissen über das Entstehen und die Bedeutung einer Sonnenfinsternis zum Besten gab.
Ghanaische Beerdigung
Wir waren von einem ghanaischen Freund zur Beerdigung seiner Mutter eingeladen. Eine Beerdigung in Ghana besteht aus zwei unabhängig voneinander zelebrierten Events. Das Erste ist die Trauerfeier, bei der vor allem die Familienangehörigen anwesend sind. Das zweite ist eine regelrechte Party, bei der es darum geht, das Leben zu feiern. Wir hatten die Chance, beim zweiten Teil der Beerdigung eingeladen zu sein. Je nachdem, in welchem Alter die Person verstorben war, wird in weiß-schwarz oder rot-schwarz gefeiert. Der Dresscode bei dieser Beerdigung war weiß-schwarz und wir kauften uns lange, mit schönen Stickereien verzierte, ghanaische Hemden.
Traditionell wird ein Bild des Verstorbenen in die Mitte aller Tische gestellt und der Rest des Abends sieht im Prinzip aus wie eine Geburtstagsparty. Es wird viel getrunken, gegessen und ausgiebig getanzt. Es war wirklich eine einmalige Chance, dass wir einer solchen, aus unserer Sicht fremden und ungewohnten „Trauerfeier“ beiwohnen durften.
FOKN BOIS Konzert
An einem Abend im letzten Monat sind wir zum Finale einer ghanaischen Castingshow gefahren. Der eigentliche Grund für uns war jedoch, das anschließende live-Konzert der FOKN Bois, bestehend aus Wanlov the Kubolor und M3nsa, zu sehen. Ich hatte schon einige Songs von Ihnen gehört und die Musik gefällt mir wirklich sehr gut. Die Musiker sind jedoch in der ghanaischen Bevölkerung sehr umstritten, weil sie äußerst provokante und teilweise etwas infantile Messages transportieren und nach ihren live- und Fernseh-Auftritten regelmäßig für Schlagzeilen sorgen. Die einen hassen die FOKN BOIS, die andern lieben sie…
Ich hatte Wanlov schon vorher einmal in einer Bar im Stadtteil Osu, auch wenn ich zu dem Zeitpunkt noch nicht wusste, wer er eigentlich war. Er war mir nur aufgefallen, weil er keine Hose sondern nur ein Tuch um die Hüften geschlungen trug, was offensichtlich eines seiner Markenzeichen ist. Wir wollten uns die Jungs jedenfalls mal von Nahem angucken, also sind wir gemeinsam mit zwei Freunden aus Gabon zu dem Konzert gefahren.
Als sie endlich anfingen zu spielen gaben Julian und ich uns als Reporter aus und ich konnte auf die Bühne und von Nahem Fotos machen. Leider war der Akku meiner Kamera binnen kürzester Zeit leer, das hielt mich jedoch nicht davon ab weiterhin auf der Bühne sitzen zu bleiben. Es war eine wirklich einzigartige Erfahrung und einfach „einer dieser Abende in Ghana“. Hinterher hatte ich noch die Möglichkeit mit Wanlov ein paar Sätze zu wechseln und er scheint trotz seiner Polularität ein wirklich bodenständiger und offenherziger Mensch zu sein. Beim Abschließenden Voting, wer denn nun die Castingshow gewonnen habe, kam es jedoch zu Krawallen. Einige der Zuschauer waren offensichtlich nicht zufrieden mit dem Ergebnis und fingen an Flaschen auf die Bühne zu schmeißen. Mehrmals rannten alle Zuschauer panisch von der Bühne weg und es hätte wohl nicht mehr viel gebraucht um eine Massenpanik auszulösen. Was genau der Anlass war wissen wir nicht, wie sorgten jedoch dafür, dass wir uns schnellstmöglich in Sicherheit brachten.
Das waren die letzten Monate für mich und ich weiß, dass noch unglaubliche Wochen in Ghana auf mich warten. Heute Mittag bin ich nach einem mehrstündigen Regenschauer von Busua aufgebrochen und befinde mich jetzt in Butre, einem etwas kleineren Nachbarort entlang der Küste. Luftlinie sind es nur wenige Kilometer, mit dem Motorrad habe ich heute jedoch eine knappe Stunde gebraucht, da die sandig-schlammige Straße sich Kilometerlang durch den Busch bzw. Dschungel schlängelt.
Letzte Nacht war ich schon einmal kurz hier, als ich mit zwei Ghanaern nach einigen furchtbaren Gin-Mischungen aus kleinen Plastiktüten am Strand hierher gelaufen war, um die Baby-Schiltkröten zu sehen, welche hier schlüpfen und von den Mitarbeitern im Ressort ins Meer gebracht werden. Die Unterkunft, in der ich nun bin, heißt Hide Out und der Name trifft es wirklich auf den Punkt. Es ist eine Ansammlung von Hütten und Baumhäusern direkt am Strand, in der es weder Internet noch Handyempfang gibt und es sich unglaublich gut entspannen lässt.
Morgen früh werde ich die letzte Reise mit unserem wunderschönen Motorrad antreten und zurück nach Accra fahren. Am Dienstag kommt dann mein lieber Bruder Johannes und unserer gemeinsamer Freund Martin an. Gemeinsam werden wir zunächst in den Norden reisen und anschließend bestimmt wieder hier an diesem Flecken Paradies enden. Im Januar kommt dann noch meine Verlobte Caro, wir reisen gemeinsam noch für zwei Wochen und dann heißt es Abschied nehmen von diesem wundervollen, einzigartigen und spannenden Land, welches für das letzte halbe Jahr mein Zuhause gewesen ist.
Ich vermute, dass das auch mein letzter Blog-Eintrag sein wird, sicher bin ich mir jedoch nicht. Ich bedanke mich wie immer fürs Lesen und hoffe, dass ich euch somit wenigstens ein kleines bisschen an meiner Ghana-Erfahrung teilhaben lassen kann.
Herzliche Weihnachtsgrüße und schon einmal einen wundervollen Rutsch ins neue Jahr.
The best times are yet to come…
Euer Christopher