17 Dez

Jetzt ist es schon wieder eine halbe Ewigkeit her, dass ich einen Blog-Eintrag verfasst habe und ich muss tatsächlich meine Bilder angucken um mich zu erinnern, was alles in der Zwischenzeit passiert ist…

Um alles im Detail zu erklären müsste ich sowohl das Medium wechseln und ein Buch schreiben, als auch müsste ich die Muße dafür aufbringen, was bei 33 Grad am schönsten Strand in Ghana etwas schwer fällt.
Alle Prüfungen habe ich erfolgreich hinter mich gebracht, bin aus dem International Student Hostel ausgezogen und bin jetzt für einige Tage in an Ghanas Westküste, um dort zu entspannen, zu surfen, frischen Fisch zu essen und mich von der Sonne verbrennen zu lassen…
Viele meiner Kommilitonen sind bereits abgereist, Nick ist heute zurück in die USA geflogen nachdem er hier einige Tage mit mir am Strand war, Sarah werde ich wohl noch wieder sehen aber die Mehrheit dürfte schon über die Landesgrenzen hinweg sein. So auch mein geliebter mitreisender, der aufgrund eines Medizinischen Vorfalls früher heimfliegen musste und wohl jetzt deutsches Brot, echten Kaffee, Käse, Glühwein in die Weihnachtszeit in gewohnter Atmosphäre genießt.
Ich hingegen bin so weit entfernt von Weihnachtsstimmung wie man wohl nur sein kann und daran können leider auch die kleinen Tannenzweige, Weihnachtskarten und Kerzen, die mir meine Eltern geschickt haben, nicht wirklich viel ändern. Dabei war das Wetter in der tatsächlichen Weihnachtsnacht irgendwo in der Einöde Palästinas wohl eher wie jetzt gerade bei mir, aber da setzt sich eben die Tradition und Prägung durch, die Weihnachten unweigerlich mit Schnee, Tannenbäumen und Kälte verbindet. So ist es nunmal und ich möchte mich nicht über meine Lage beschweren 🙂

Nun aber in Retrospektive ein Abriss der letzten Monate:

Unterwegs in Chorkor
Der Assistance Registrar vom Internaitonal Programms Office der Uniersity of Ghana hatte Chris und mich schon zu Beginn des Studiums eingeladen, dass er uns im Stadtteil Chorkor herumführen möchte, als er hörte, dass wir dort ein Praktikum absolvieren würden. Als sich das Praktikum beim After School Care Program BASICS bereits dem Ende näherte schafften wir es endlich, einen gemeinsamen Termin zu finden.
Unsere Erfahrung hat uns gezeigt, dass es besonders in Stadtteilen wie Chorkor sehr Sinnvoll ist, einen lokalkundigen Ghanaer bei sich zu haben. Nicht, weil es sonst gefährlich wäre, sondern eher, weil es sonst leicht nach Sensationstourismus aussehen kann indem der „Weiße Mann“ sich eben mal „das Elend“ angucken möchte.
In sofern waren wir sehr Froh, Daniel bei uns zu haben. Ich hatte ja bereits einige Arbeitstage in Chorkor verbracht, jedoch nie einen so detaillierten Einblick bekommen.
Gemeinsam schlenderten wir durch die engen, lehmigen Gassen zum Strand. Der Strand jedoch war gesäumt von Müllbergen und verlor somit recht abrupt seinen Charme. Wenn man eine Idee davon bekommen möchte, was Plastikmüll in einer Wegwerfgesellschaft anrichten kann, dann ist Ghana neben vielen anderen Ländern eine Paradebeispiel. Recycling ist ein Fremdwort, überall liegt Plastikmüll herum, wird verbrannt, an Orten wie diesem Strand gestapelt oder gammelt einfach in den Abflüssen vor sich hin, was jährlich zur Regenzeit zu gefährlichen und gefährdenden Überschwemmungen in Accra führt.
Mit deutlich spürbarer Betroffenheit berichtete uns Daniel davon, wie es dort noch vor wenigen Jahrzehnten ausgesehen hatte und wie die Regierung und die Verantwortlichen konsequent nichts an der Situation verändern sondern sich eher um internationale Bauprojekte und die reicheren Viertel Accras kümmert. Das hat seines Erachtens jedoch nur einen Anteil an der momentanen Lage, das Größte Problem seien die Unmengen von Plastikmüll, die tagtäglich in Accra produziert, verbraucht und weggeworfen werden. Ein Paradebeispiel hierfür ist die nahegelegene „Lagune“. Daniel berichtete uns, dass hier vor zwanzig Jahren noch Kinder unter Palmen im azurblauen Wasser spielten. Heute ist die gesamte Lagune gefüllt mit Plastiktüten, Dosen, Flaschen und anderweitigem Müll. Seine Beschreibung, wie es hier vor zwei Jahrzehnten ausgesehen hat, ist für uns angesichts der aktuellen Lage kaum vorstellbar. Die gesamte Lagune ist ein riesiges Feld von qualmendem, stinkenden Müll in dem Kinder nach Verwertbaren und abgemagerte Tiere nach Essbarem suchen. Ecken wie diese gibt es viele in Accra und es verblüfft und schockt mich immer wieder, dass Stadtteile wie Chorkor nur wenige Minuten entfernt von stacheldraht-gesäumten Villenvierteln existieren und ein kleines Paralleluniversum bilden (oder anders herum). In Accra zeigen sich besonders deutlich die verschiedenen Gesichter der ghanaischen Realität, auch wenn die Metropole sich wohl lieber über die westlich-orientierten Shopping Malls, die Sterne Hotels oder das architektonisch anspruchsvolle National Theater charakterisieren würde.

Chorkor - Lagune

Chorkor – Lagune

Shai Hills
Ein deutlich malerischer Anblick bot sich mir, als ich gemeinsam mit unserem deutschen Freund Julian und Sarah zu den Shai Hills gefahren bin. Ungefähr zwei Stunden entfernt von Accra liegt dieses kleine Ressort, was neben Pavianen vor allem Busch-Wild beheimatet und eine atemberaubend grüne und ruhige Abwechslung zu staubigen Straßen Accras darstellt. Hier bietet sich dem Auge eine Landschaft, die ein wenig wie über-romantisiertes Bilderbuch-Afrika anmutet. Weite gelb-grüne Ebenen gesäumt von steinigen Hügeln, Baobabs, Antilopen in hohem Gras und eine tiefstehende, glühende Sonnenscheibe. Hier wanderten wir für einige Stunden und erkundeten die frühere Heimat des Shai-Volks, welches von den umliegenden Stämmen, besonders den Ashanti, bekämpft und nahezu komplett vernichtet wurde. Überall findet man Überbleibsel dieser Zeit, die sich in zerfallenen Tongefäßen oder gemeißelten Steinschalen widerspiegelt.
Wer erkundeten Höhlen, spielten mit riesigen Tausendfüßlern und fütterten die Paviane mit Mangos, wenn sie nicht vorher in unseren eigenen Mündern landeten.
Im TroTro machten wir uns anschließend wieder auf den Heimweg und erreichten Accra kurz nach Einbruch der Dunkelheit.

Shai Hills

Shai Hills

Nigerianisch-Ghanaisch-Deutsches Essen
Zwei nigerianische Freunde hatten uns vor ein paar Wochen eingeladen um für uns nigerianisches Essen zu kochen. Wir hatten einen wirklich wundervollen Abend, viel Spaß und köstliches Essen bestehend aus Fufu, Yam, Hühnchen, Ziege und einer gelben, körnigen Sauce, deren genaue Bestandteile mir leider nicht mehr im Kopf geblieben sind.
Zwei ghanaische junge Frauen waren auch bei dem Essen eingeladen und am Ende des Abends beschlossen wir, dass sie für uns alle ghanaisch kochen würden und wir abschließend deutsches Essen zubereiten würden. Zwei Wochen später saßen wir in ähnlicher Konstellation in einem anderen Studenthostel und aßen gebratene Kochbananen, Yam und Gardeneg-Sauce und Rind. Das Schönste an der Sache war, dass wir immer mehr Leute wurden, immer kamen neue Menschen dazu und immer hatten wir tolle Gespräche und unendlich viel zu lachen.
Aufgrund der Prüfungsphase gestaltete es sich etwas schwierig, einen gemeinsamen Termin für das abschließende deutsche Essen zu finden. Schließlich einigten wir uns aber und so trafen wir uns in großer Runde in unserem Studentenzimmer. Wir wollten eigentlich Kassler mit Sauerkraut zubereiten, jedoch konnten wir die Zutaten leider nicht finden. Also kochten Chris, Julian und ich stattdessen Bratkartoffeln mit Bratwürstchen, Spinat und Spiegelei. Es schmeckte aufgrund der begrenzten Kochutensilien und Zutaten nicht ganz wie daheim, aber es war so nah an deutschem Essen, wie wir unter diesen Umständen nur kommen konnten. Geschmeckt hat es auch allen (zumindest nach ihrer Aussage) und wir hatten einen tollen Abschiedsabend mit einigen unserer Freunde. Das ist der einzige Grund, warum ich auch etwas traurig bin, dass die Uni jetzt vorbei ist. Gerade jetzt, wo die Freundschaften tiefer und enger werden könnten findet unsere Zeit auf dem Campus ein Ende, was zwangsläufig bedeutet, dass die Freundschaften darunter leiden werden. Ich habe wirklich viele tolle und einzigartige Menschen kennen gelernt, zu denen ich gerne eine noch tiefere Freundschaft aufbauen würde. Die Frage ist natürlich, in wiefern das über die Landesgrenzen hinweg in Zukunft möglich sein wird und ehrlich gesagt ist es vielleicht auch gar nicht unbedingt nötig. Ich hatte eine wundervolle Zeit in Ghana mit wundervollen Menschen. Das für sich kann einfach so stehen und in guter Erinnerung bleiben…

German Dinner

German Dinner


Praktikum B.A.S.I.C.S

Wie ja schon in einigen Blogeinträgen erwähnt habe ich die ganze Zeit über einmal pro Woche bei dem After School Care Program „B.A.S.I.C.S“ in Chorkor gearbeitet, habe dort die Schüler nach der Schule betreut, ihnen bei den Hausaufgaben geholfen und gemeinsam mit Armedor einen Tanz- und Musicworkshop geleitet. Den letzten Monat habe ich zudem damit verbracht, gemeinsam mit dem Mann der Leiterin, Alotey, ein Recycling Projekt in die Wege zu leiten. Gemeinsam haben wir Pläne entworfen, um das Prinzip von Recycling in einfache und anschauliche Häppchen präsentieren zu können. Wir wollten einen der „Say it loud“ Tage (an denen die Schüler einmal im Monat über ein bestimmtes Thema diskutieren können) dafür nutzen, um mit den Kindern und den Mitarbeitern über die Bedeutung und den Nutzen von Recycling zu sprechen. Gemeinsam mit Alotey und zwei israelischen Freiwilligen hatte ich schon einige Monate zuvor begonnen, die Abfälle aus der Küche zu kompostieren. Während des Say it loud wollten wir den Kindern und Mitarbeitern zeigen, was man aus Papier, Plastik und Glas machen und wie all dies im großen und kleinen Rahmen recycelt werden kann. Darüber hatten die Meisten schon Vorwissen, weil bereits Projekte mit den Kindern gestartet worden waren und beispielsweise die Plastik-Wasserbeutel bei B.A.S.I.C.S immer in einen extra Behälter geschmissen und anschließend verkauft werden. Schwieriger gestaltete sich das beim Kompostieren. Viele der Kinder und noch weniger die Mitarbeiter verstanden so richtig, worum es eigentlich gehen sollte und wofür es denn gut sei. Dass Plastik in der Umwelt für Probleme sorgt konnten sie nachvollziehen, aber die Mühen des Kompostierens erschienen Ihnen meines Erachtens zu Aufwendig und umständlich.
Dennoch glaube ich, dass der Tag ein voller Erfolg war. Es ging in erster Linie ja nicht darum, dass sofort alle anfangen, ihren Müll zu trennen und nicht mehr alles zu verbrennen, sondern vielmehr darum, das Bewusstsein zu schärfen. Das ist uns bei den Kindern wohl besser gelungen, als bei den Mitarbeitern…
Zusätzlich haben wir neue große Mülleimer für Plastik und Papier installiert und die Schüler in verschiedene Gruppen eingeteilt. Einmal pro Woche sollen die Container ausgeleert werden und die Gruppe mit dem meisten getrennten Plastik oder Papier wird belohnt. Somit hoffen wir, dass sich die Schüler gegenseitig kontrollieren und somit das Prinzip von Recycling und Mülltrennung transportiert und umgesetzt wird.
Dass dieses Projekt nur ein kleiner Kiesel in einem Haufen von Stein ist steht außer Frage und ob sich dadurch etwas in Chorkor ändert kann jetzt noch nicht beurteilt werden. Jedoch braucht es auch nur einen kleinen Stein um eine Lawine auszulösen und die Kinder von heute sind schließlich diejenigen, die morgen Entscheidungen fällen. Müll (sowohl selbst produzierter als auch importierter Elektroschrott) ist in Ghana ein riesiges Problem das „gelöst“ wird, indem alles verbuddelt oder verbrannt wird. Zwar gibt es mittlerweile einige spezialisierte Recycling-Unternehmen, die in Ghana ansässig sind, jedoch wird sich an der aktuellen Situation nichts ändern, wenn die Menschen nicht wissen und verstehen, welchen Nutzen und Sinn das Recycling hat. Deshalb glaube ich, dass es unumgänglich ist, die Kinder von heute für dieses Thema zu sensibilisieren.

B.A.S.I.C.S Praktikum - Verabschiedung

B.A.S.I.C.S Praktikum – Verabschiedung

Campus Impressionen
Wie gesagt habe ich den Campus der University of Ghana bereits verlassen, jedoch habe ich das Gefühl, dass ich darüber sehr wenig berichtet habe. Das ist mir aufgefallen, als ich an einem meiner letzten Tage Fotos von verschiedenen Dingen gemacht habe, die für mich mittlerweile zur Alltäglichkeit geworden waren. Dennoch möchte ich jetzt kurz darüber berichten, wie das Leben auf dem Campus für mich ausgesehen hat. Wie bereits erwähnt habe ich im International Students Hostel 1 gelebt, welches direkt gegenüber vom International Students Hostel 2 liegt. Hinter meinem Hostel liegt nach einer ausgedehnten Grünfläche mit Mangobäumen der Pool mit Springturm (der jedoch nicht betreten werden darf) sowie das University of Ghana Stadion, welches sein acht Jahren gebaut wird und scheinbar nie fertig werden wird. Die Laufbahn ist jedoch astrein und hier war ich mehrmals pro Woche laufen. Hinter dem Stadion befindet sich die Okponglo-Kreuzung, an der die TroTros richtung Innenstadt halten. In den meisten Studentenhostels gibt es einen Shop und ein kleines Restaurant. Das Essen ist jedoch verhältnismäßig sehr teuer, weshalb wir immer auf dem night marked direkt hinter ISH 2 gegessen haben. Hier und im direkt angrenzenden kleinen Supermarkt bekommt man im Prinzip alles, was man fürs Tägliche Leben braucht. Das Essen ist gut und günstig, hier haben wir wechselweise Fufu, Banku, Jollof Rice oder fried Yam für drei Cedis (umgerechnet weniger als ein Euro) gegessen. Gegenüber vom night marked ist ein Kebab-Stand, an dem Baba die besten Würstchen, Hähnchen-, Ziegen-, und Innereienspieße mit dem berühmten ghanaischen Pepper, einer Pepperoni-Gewürzmischung, verkauft. Der Campus ist ein riesiges und im Grunde unüberschaubares Gebiet von Professorenhäusern, Studentenwohnheimen und Lehrgebäuden. Fast alle Professorenfamilien und die 42.000 Studenten leben auf dem Campusgelände in verschiedenen Wohnheimen. Die Fakultäten sind geographisch voneinander getrennt und am Anfang gab man uns eine Landkarte, auf der alles Wichtige vermerkt war. Die meisten Lehrgebäude sind einstöckige Häuser mit Holzbänken wie in einer alten Schule, es gibt jedoch Ausnahmen wie beispielsweise das JQ-Building, was aus mehrstöckigen, großen Hörsälen besteht. Das Zentrum des Universitätsgeländes bildet eine große Straße, die vom Haupteingang zur Commonwealth-Hall, einer der renommiertesten Studentenherbergen am Campus, führt und von der im 90° Winkel Straßen in verschiedene Richtungen abzweigen. Herzstück der University of Ghana ist die Balm-Bibliothek, welche von der Hauptstraße abzweigt. Vor der Bibliothek ist ein großer Brunnen, gesäumt von verschiedenen Bronzefiguren. Die Balm-Bibliothek ist die größte und am besten ausgestattete in ganz West Afrika, dennoch haben wir aufgrund des Mitarbeiterstreiks nie die Möglichkeit gehabt, Bücher auszuleihen 🙂
Außerdem hat die Universität neben dem unter Bauarbeiten stehenden Stadion noch drei Fußballplätze, ein Rugby-Feld, mehrere Basketball-Courts, einen outdoor Handball- und Volleyball-Court. Um die Größe des Geländes etwas besser zu veranschaulichen bietet es sich an, die Distanz in Laufminuten zu erläutern. Zu Fuß brauchten wir von unserem Hostel bis zu unseren Lehrgebäuden oder dem International Programms Office ungefähr eine halbe Stunde. Gott sei Dank hatten wir ja das Motorrad, sonst weiß ich nicht, wie ich das alles geschafft hätte. Im Grunde könnte man die gesamte Zeit nur auf dem Campus verbringen und das führt dazu, dass es ein wenig wie eine grüne Seifenblase am Rande Accras ist. Jedoch ist genau das ein Teil Accras und ein Teil Ghanas, genauso wie die staubige Innenstadt, der wüste Verkehr oder der kunterbunt-einsaugende Makola Markt. Viel mehr ist über den Campus nicht zu sagen. Zusammenfassend handelt es sich um ein großes, unübersichtliches Gelände voll von teilweise heruntergekommenen und teilweise prächtigen Gebäuden. Die Universität wurde von den britischen Besatzern aus Partneruniversität errichtet und es wird deutlich, dass das gesamte System zwar von den Ghanaern übernommen wurde, es jedoch nicht aus ihren Reihen stammt. Alles funktioniert irgendwie, aber auch nicht so richtig, und wenn mal etwas nicht nach Plan läuft, dann scheint keiner zu wissen, wie mit der Situation umgegangen werden soll. Es wirkt so, als sei hier ein System aufgestülpt worden, was zwar oberflächlich verstanden, aber nicht durchdrungen wird, einfach weil es konträr zu vielen ghanaischen Kultureigenschaften (die für sich gesehen positiv sind) steht. Es funktioniert jedenfalls nicht so richtig und obwohl es eine großartige Erfahrung war bin ich nicht unglücklich darüber, dass ich den ganzen bürokratischen Stress mit den Kurswahlen etc. nicht noch ein weiteres Semester durchmachen muss 🙂
Man muss jedoch dazu sagen, dass es im Grunde gar kein Problem der Leute hier ist. Es ist nur nicht ihrer Kultur und Vorstellung entsprechend und somit scheint es, als würden sie sich permanent in einem Universitäts-System bewegen, welches eigentlich nicht ihres ist.

Balm Library - University of Ghana

Balm Library – University of Ghana

Jetzt habe ich schon wieder so viele Sätze geschrieben und befürchte, dass einige von euch schon gar nicht mehr weiter lesen wollen. Deshalb werde ich einige weitere Ereignisse nur knapp zusammenfassen.

Sonnenfinsternis
Über Ghana und Westafrika war im letzten Monat eine fast komplette Sonnenfinsternis zu beobachten. Gemeinsam mit Freunden von der Uni und meinem Praktikum gingen wir zu Accras Planetarium, um das Spektakel zu beobachten. Zwei große ghanaische Fernsehsender waren auch vor Ort und wir versuchten mit Erfolg, uns in die Live-Aufnahmen zu schleichen und im Hintergrund herumzustehen und wie benebelt in die Sonne zu starren. Der Plan ging auf und ich wurde sogar zu einem Interview mit Ghana Television gebeten, in dem ich mit geschwollener Brust mein Unwissen über das Entstehen und die Bedeutung einer Sonnenfinsternis zum Besten gab.

Sonnenfinsternis in Ghana - unterwegs mit Freunden

Sonnenfinsternis in Ghana – unterwegs mit Freunden

Ghanaische Beerdigung
Wir waren von einem ghanaischen Freund zur Beerdigung seiner Mutter eingeladen. Eine Beerdigung in Ghana besteht aus zwei unabhängig voneinander zelebrierten Events. Das Erste ist die Trauerfeier, bei der vor allem die Familienangehörigen anwesend sind. Das zweite ist eine regelrechte Party, bei der es darum geht, das Leben zu feiern. Wir hatten die Chance, beim zweiten Teil der Beerdigung eingeladen zu sein. Je nachdem, in welchem Alter die Person verstorben war, wird in weiß-schwarz oder rot-schwarz gefeiert. Der Dresscode bei dieser Beerdigung war weiß-schwarz und wir kauften uns lange, mit schönen Stickereien verzierte, ghanaische Hemden.
Traditionell wird ein Bild des Verstorbenen in die Mitte aller Tische gestellt und der Rest des Abends sieht im Prinzip aus wie eine Geburtstagsparty. Es wird viel getrunken, gegessen und ausgiebig getanzt. Es war wirklich eine einmalige Chance, dass wir einer solchen, aus unserer Sicht fremden und ungewohnten „Trauerfeier“ beiwohnen durften.

Ghanaische Beerdigung - trinken, essen, tanzen

Ghanaische Beerdigung – trinken, essen, tanzen

FOKN BOIS Konzert
An einem Abend im letzten Monat sind wir zum Finale einer ghanaischen Castingshow gefahren. Der eigentliche Grund für uns war jedoch, das anschließende live-Konzert der FOKN Bois, bestehend aus Wanlov the Kubolor und M3nsa, zu sehen. Ich hatte schon einige Songs von Ihnen gehört und die Musik gefällt mir wirklich sehr gut. Die Musiker sind jedoch in der ghanaischen Bevölkerung sehr umstritten, weil sie äußerst provokante und teilweise etwas infantile Messages transportieren und nach ihren live- und Fernseh-Auftritten regelmäßig für Schlagzeilen sorgen. Die einen hassen die FOKN BOIS, die andern lieben sie…
Ich hatte Wanlov schon vorher einmal in einer Bar im Stadtteil Osu, auch wenn ich zu dem Zeitpunkt noch nicht wusste, wer er eigentlich war. Er war mir nur aufgefallen, weil er keine Hose sondern nur ein Tuch um die Hüften geschlungen trug, was offensichtlich eines seiner Markenzeichen ist. Wir wollten uns die Jungs jedenfalls mal von Nahem angucken, also sind wir gemeinsam mit zwei Freunden aus Gabon zu dem Konzert gefahren.
Als sie endlich anfingen zu spielen gaben Julian und ich uns als Reporter aus und ich konnte auf die Bühne und von Nahem Fotos machen. Leider war der Akku meiner Kamera binnen kürzester Zeit leer, das hielt mich jedoch nicht davon ab weiterhin auf der Bühne sitzen zu bleiben. Es war eine wirklich einzigartige Erfahrung und einfach „einer dieser Abende in Ghana“. Hinterher hatte ich noch die Möglichkeit mit Wanlov ein paar Sätze zu wechseln und er scheint trotz seiner Polularität ein wirklich bodenständiger und offenherziger Mensch zu sein. Beim Abschließenden Voting, wer denn nun die Castingshow gewonnen habe, kam es jedoch zu Krawallen. Einige der Zuschauer waren offensichtlich nicht zufrieden mit dem Ergebnis und fingen an Flaschen auf die Bühne zu schmeißen. Mehrmals rannten alle Zuschauer panisch von der Bühne weg und es hätte wohl nicht mehr viel gebraucht um eine Massenpanik auszulösen. Was genau der Anlass war wissen wir nicht, wie sorgten jedoch dafür, dass wir uns schnellstmöglich in Sicherheit brachten.

The FOKN BOIS - Wanlov the Kubolor and M3nsa

The FOKN BOIS – Wanlov the Kubolor and M3nsa

Das waren die letzten Monate für mich und ich weiß, dass noch unglaubliche Wochen in Ghana auf mich warten. Heute Mittag bin ich nach einem mehrstündigen Regenschauer von Busua aufgebrochen und befinde mich jetzt in Butre, einem etwas kleineren Nachbarort entlang der Küste. Luftlinie sind es nur wenige Kilometer, mit dem Motorrad habe ich heute jedoch eine knappe Stunde gebraucht, da die sandig-schlammige Straße sich Kilometerlang durch den Busch bzw. Dschungel schlängelt.
Letzte Nacht war ich schon einmal kurz hier, als ich mit zwei Ghanaern nach einigen furchtbaren Gin-Mischungen aus kleinen Plastiktüten am Strand hierher gelaufen war, um die Baby-Schiltkröten zu sehen, welche hier schlüpfen und von den Mitarbeitern im Ressort ins Meer gebracht werden. Die Unterkunft, in der ich nun bin, heißt Hide Out und der Name trifft es wirklich auf den Punkt. Es ist eine Ansammlung von Hütten und Baumhäusern direkt am Strand, in der es weder Internet noch Handyempfang gibt und es sich unglaublich gut entspannen lässt.

Morgen früh werde ich die letzte Reise mit unserem wunderschönen Motorrad antreten und zurück nach Accra fahren. Am Dienstag kommt dann mein lieber Bruder Johannes und unserer gemeinsamer Freund Martin an. Gemeinsam werden wir zunächst in den Norden reisen und anschließend bestimmt wieder hier an diesem Flecken Paradies enden. Im Januar kommt dann noch meine Verlobte Caro, wir reisen gemeinsam noch für zwei Wochen und dann heißt es Abschied nehmen von diesem wundervollen, einzigartigen und spannenden Land, welches für das letzte halbe Jahr mein Zuhause gewesen ist.

Ich vermute, dass das auch mein letzter Blog-Eintrag sein wird, sicher bin ich mir jedoch nicht. Ich bedanke mich wie immer fürs Lesen und hoffe, dass ich euch somit wenigstens ein kleines bisschen an meiner Ghana-Erfahrung teilhaben lassen kann.

Herzliche Weihnachtsgrüße und schon einmal einen wundervollen Rutsch ins neue Jahr.

The best times are yet to come…

Euer Christopher

Jeder Tag birgt die Chance etwas neues zu lernen…

25 Okt

… trotz massiven Zeitdrucks und einigen unangenehmen Überraschungen konnten wir die provisorische Lehrstätte der Adei Foundation School pünktlich zum Schulbeginn am 24. September 2013 fertigstellen. Die letzten Arbeitstage waren von so vielen unerwarteten Wendungen geprägt, dass wir daran schon fast nicht mehr geglaubt hatten. Mit Licht der letzten Sonnenstrahlen hatten wir alle Raum gestrichen und es fehlte nur noch ein kleines Stück des Daches, was der mittlerweile dritte Zimmermann in unseren Reihen jedoch am nächsten morgen vor Unterrichtsbeginn erledigen wollte. Wie wir heute wissen kam es dazu nicht. Dennoch konnte die Schule pünktlich beginnen und als wir vor einigen Tagen vor Ort waren um die Location erneut zu besichtigen war alles voller Leben, die Kinder saßen in den Klassen und lernten fleißig während wir aus dem Staunen nicht mehr herauskamen. Es war wirklich sehr schön zu sehen, dass es sich trotz aller Strapazen und Rückschläge mehr als gelohnt hatte.

Die provisorischen Schulgebäude der Adei Foundation

Die provisorischen Schulgebäude der Adei Foundation

Schulkinder in den neuen Gebäuden der Adei Foundation

Schulkinder in den neuen Gebäuden der Adei Foundation

Seitdem ist schon wieder ein ganzer Monat vergangen, in dem uns die Universität voll im Griff hatte. Obwohl die thematischen Anforderungen nicht übermäßig hoch sind habe ich das Gefühl, dass mich die Vorlesungen viel Kraft kosten und ich mich danach immer sofort schlafen legen könnte. Alles ist etwas durcheinander und unstrukturiert und wer hätte das gedacht, trotz meiner Offenheit für fremde Kulturen und meiner Sehnsucht nach Reisen fehlt mir hier doch manchmal die Ordnung und Kontinuität, die mein Preußenschädel von daheim gewohnt ist. Letzten Montag haben wir in einer Vorlesung einen Film mit Jennifer Lopez gesehen, der zwar entfernt etwas mit dem Thema zu tun hatte, mich im Curriculum einer renommierten Hochschule aber doch sehr überrascht hat. Hinzu kommen Hausarbeiten und Zwischenprüfungen, deren Verfassen auf Englisch meine Motivation nicht gerade in die Höhe schnellen lässt. Generell ist die Lehre hier sehr herausfordernd für mich, da sie, um es diplomatisch auszudrücken, einfach sehr sehr sehr anders ist, als ich es mit meiner westlichen Brille gewohnt bin. Kurzum, ich werde mich nie wieder über die FH Frankfurt oder das Deutsche Schulsystem beschweren, zumindest was das Organisatorische und die Qualität der Lehre angeht.

Doch ich will nichts schwarzmalen und mich schon gar nicht beschweren, da die akademische Seite meines Aufenthalts in diesem wundervollen Land neben all den einzigartigen Erfahrungen, die ich hier erleben darf, ohnehin nicht so sehr ins Gewicht fällt.

Jamestown, der zweite Versuch!
Nach meinem interessanten und doch etwas unangenehmen ersten Besuch in Jamestown haben ich gemeinsam mit Sarah, Nick und Christopher J. vor ungefähr drei Wochen erneut mein Glück versucht. Voller Vorfreude und Spannung saß ich im TroTro und konnte es kaum erwarten, diesen natürlichen und ursprünglichen Stadtteil Accras erneut zu erkunden. Kaum angekommen stieg mir wieder der Geruch von verbranntem Holz, köchelnden Saucen, gebackenen Süßkartoffeln und getrocknetem Fisch in die Nase, der Jamestown in Kombination mit dem Staub und Rauch in den Gassen eine betörende und einschläfernde, gleichzeitig aber in keinster Weise unangenehme Note verpasst, die wie maßgeschneidert zu den kleinen, windschiefen Holzhütten zwischen einfallenden Kolonialbauten und dem darin stattfinden Treiben zu passen scheint.
Sofort entdeckten mich auch wieder die Jungs, welche mich letztes Mal „festgenommen“ hatten. Wir klopften uns auf die Schultern und lachten gemeinsam wie über gute alte Zeiten. Diesmal ließen wir uns auch auf den alten britischen Leuchtturm führen, von dessen Plattform sich uns ein einzigartiger Ausblick über das Straßengeflecht von Jamestown und das Herzstück des Stadtteils, das kompakte, verwinkelte Fischer-Dorf am Strand, bot. Hier verweilten wir für eine gute halbe Stunde und sogen die Atmosphäre dieses treibenden und gleichzeitig gemütlichen Stadtteils in unsere vom Universitätsalltag etwas eingerosteten Körperzellen.
Anschließend bekamen wir eine Führung durch die Fischer-Community. Ich war wirklich froh, dass diesmal unsere „neuen Freunde“ dabei waren, da ich beim unserem ersten Besuch permanent das Gefühl hatte, in den Wohnzimmern der Bewohner herumzustolpern, ohne auch nur einen Ansatz von Berechtigung dazu zu haben. Diesmal war alles etwas entspannter und ich genoss es, durch die lehmigen Gassen zu laufen und die Reinheit und Einfachheit dieses Lebens in Jamestown auf mich wirken zu lassen. Vorbei an spielenden Kindern, Bretterverschlägen, Netze-flickenden Männern, abgehackten Schildkrötenbeinen und üppigen, tratschenden Frauen hinter dampfenden Töpfen schlenderten wir durch dieses kleine Universum und wie so oft in Ghana hätte ich mir nichts sehnlicher gewünscht, als unsichtbar zu sein und jede Einzelheit eingehend betrachten zu können. Wir kauften einen frisch gefangenen, großen „Red Snapper“, ließen ihn zubereiten und in einem großen Lehmofen räuchern, während wir wieder die Treppen zum Leuchtturm und in die „Neustadt“ Jamestowns hinaufstiegen.

Die traditionsreiche Fischer-Gemeinde in Jamestown

Die traditionsreiche Fischer-Gemeinde in Jamestown

Oben angekommen mussten wir mit Bedauern feststellen, dass die Auntie mit den „besten Bohnen der Stadt“, zu der uns unsere neuen Freunde geführt hatten, leider nichts mehr im Angebot hatte, weshalb wir uns mit einer Riesenportion Fried Yam und Shito-Sauce zufrieden geben „mussten“. Während die Sonne schon langsam ihren Untergang vorbereitete und alles in warmes, goldenes Licht tauchte, saßen wir auf der ausgestorbenen Dachterasse des „Ocean View“, Accras erstem Hotel, und genossen ein eisgekühltes Club-Bier (Jetzt wäre wohl der richtige Moment, um im Hintergrund den Werbeslogan der Marke: „Because beer in Ghana means Club“ von einem Mann mit charismatischer Stimme ertönen zu lassen, aber leider ist die Kommerzialisierung von Blog-Seiten noch nicht so weit vorgeschritten. Der Effekt jedenfalls wäre einmalig).

Während wir da so saßen und die Szenerie von unserem halb versteckten Posten beobachteten rief mich Samuel, der Mann welcher uns bei unserem ersten Besuch in Jamestown so herzlich aufgenommen und uns das beste Yam-Stew Frühstück aller Zeiten organisiert hatte, an und fragte, ob wir immer noch in Jamestown seien. Ich hatte ihn am Vormittag angerufen um zu fragen ob er in der Gegend sei und jetzt war er offensichtlich zurück von einem Arbeitsauftrag und wollte uns sehen. Wie alte Freunde, die sich seit Jahrzehnten nicht mehr zu Gesicht bekommen hatten, umarmten wir uns und begrüßten uns herzlich. Samuel ist einer dieser Menschen, die man trifft und instinktiv weiß, dass man ihnen voll vertrauen kann und man die Hand für sie ins Feuer legen würde, ohne überhaupt ihre Nachnamen zu kennen.
Samuel sagte, er wolle uns gerne dem König von Jamestown vorstellen, welcher ein entfernter Verwandter von einem entfernten Verwandten (oder Ähnliches) wäre. Ohne genau zu wissen, was uns erwarten würde, folgten wir ihm zu einem bunten Haus, was zwar nicht wie ein Königspalast aussah, aber wohl als solcher fungierte und zumindest mit Abstand das prächtigste Gebäude in der Gegend war. Wir mussten unsere Schuhe am Eingang ausziehen und nach kurzer Wartezeit erschien der König „Nii Appiah V“, gemeinsam mit seinem Hohepriester und dem Dolmetscher des Palastes. Wir stellten uns gegenseitig vor, schüttelten Hände, verneigten uns feierlich und unterhielten uns über unseren Aufenthalt in Ghana, Jamestown, unsere Heimatländer und die einheimische Küche. Anschließend betete der Hohepriester für unsere Familien und wir wurden offiziell gesegnet. Zum Abschluss wurden die Smartphones aus den traditionellen Gewändern gezückt, um unser Zusammentreffen gebührend festzuhalten. Dann fragte er uns, ob wir nicht seine diversen Töchter, Nichten oder Schwestern heiraten wollten und bot an, Sarah auf der Stelle zur Frau zu nehmen und sie damit zur Königin zu machen. Wir lehnten höflich ab, bedankten uns für die Audienz, tauschten Nummern aus und versprachen, zu einem späteren Zeitpunkt zum gemeinsamen Essen wieder zu kommen.
Darüber hinaus wurde uns versichert, dass wir nie wieder Probleme jeglicher Art in Jamestown befürchten müssten. Diese Erfahrung war ein perfektes Beispiel dafür, wie Politik und die traditionellen Hierarchien in Ghana nebeneinander existieren. Obwohl Ghana eine demokratisch gewählte Regierung, Bürgermeister, Stadträte etc. hat, sind auf lokaler Ebene noch immer die Könige, Priester und Ältesten der unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen aktiv und üben auch eine gewisse Macht oder Autorität aus. Wie genau dieses System funktioniert ist mir persönlich ein Rätsel und vielleicht kann ich es als Außenstehender auch überhaupt nicht durchdringen. Fest steht jedoch, dass hier, wie in so vielen anderen ghanaischen Lebensbereichen, ein Teil der Moderne mit der Tradition des Landes kollidiert und es dennoch irgendwie gelingt, aus scheinbaren Widersprüchlichkeiten eine Symbiose zu bilden.

Der Palastdolmetscher, Nick, der Hohepriester, Chris J. Samuel, Sarah, Der König Nii Appiah V und ich (vlnr.)

Der Palastdolmetscher, Nick, der Hohepriester, Chris J. Samuel, Sarah, Der König Nii Appiah V und ich (vlnr.)

Ada Beach – ein Stückchen Paradies
Nach den akademischen Strapazen, Hausarbeiten und nächtlichen Schreib-Attacken über „Klassische und Operante Konditionierung“ und Freud´s „Es, Ich und Über-Ich“ Theorie entschieden wir uns vor zwei Wochen, uns selbst zu konditionieren und nach der erfolgreichen Meisterung der Aufgaben zu belohnen. Hierfür machten wir uns auf den Weg nach Ada, eine kleine Gemeinde im Volta-Mündungsdelta, ca. 100 km östlich von Accra. Nach einer zweistündigen TroTro-Fahrt durch weitläufige, grün-gelbe Landstriche und Peperoni-Felder erreichten wir Ada-Foah und nach einer weiteren halbstündigen Bootsfahrt auf dem Volta das kleine Stück Paradies – Ada Beach.
Dieses gemütliche, spartanische Resort liegt am Ende einer kilometerlangen Landzunge, gesäumt von der Volta-Mündung auf der einen und vom Ozean auf der anderen Seite. Feiner, weißer Sand, schattenspendende Palmen, Bambushütten mit Gras-Dächern, Hängematten… Der perfekte Ort um einfach mal für ein paar Tage die Seele baumeln zu lassen. Das absolute Highlight war jedoch die self-made Tischtennisplatte, an der Chris und ich unsere in Frankfurt begonnenen epischen Schlachten endlich fortführen konnten. Hier entspannten wir uns für einige Tage und unsere einzige Aufgabe bestand darin, von der Sonne in die schattige Hängematte, von dort ins Wasser und wieder zurück in die Sonne zu gelangen, zwischendurch eine köstlich-frische Kokosnuss zu schlürfen, Tischtennis zu spielen und abends am Lagerfeuer zu sitzen. Kein Internet, kein Strom, kein fließendes Wasser. Am ersten Tag waren wir noch ganz alleine an diesem wundervollen Ort und ich hatte das ungewohnte, befreiende Gefühl, völlig abgeschnitten vom Rest der Welt zu sein. Am zweiten Tag kamen dann noch weitere Besucher, nationale und internationale Touristen, wodurch die Idylle aber nur marginal gestört wurde. Das einzige Problem war, dass wir uns mit unserem Budget verkalkuliert hatten und am zweiten Tag feststellen mussten, dass wir so gut wie pleite waren. Die Tatsache, dass alle Lebensmittel und Getränke mit dem Boot zu dem kleinen Strandrestaurant geliefert werden mussten hatte seinen Einfluss auf die Preise, was wir nicht bedacht hatten. Also mussten wir etwas kürzer treten, weniger essen, nur Wasser trinken und Zigaretten schnorren, was Alles in Allem aber auch eine Erfahrung für uns war.
Darüber hinaus ist mehr Geld ausgeben als geplant an diesem Ort nichts Schlechtes, sondern ganz im Gegenteil. Der ghanaische Besitzer Fred hat nämlich vor einigen Jahren die erste Grundschule in der Nachbarschaft gegründet und alle Einnahmen aus dem Resort fließen ausnahmslos in diese Organisation.
Nach einem entspannenden Wochenende fernab von Einkaufsläden, Autos, Bankautomaten und sonstigem Luxus begaben wir uns zurück in die „Zivilisation“. Als wir wieder in Legon ankamen und vorbei am seit Jahren unter Bauarbeiten stehenden Universitätsstadion zum International Students Holstel liefen, überkam mich ein wenig das Gefühl, wieder zuhause zu sein. Zwei Dinge stehen jedoch fest: Das war auf gar keinen Fall mein letzter Ausflug nach Ada und beim nächsten Mal verdreifache ich mein Budget 🙂

Hängematten, Palmen und Kokosnüsse in Ada Beach

Hängematten, Palmen und Kokosnüsse in Ada Beach

Was sonst noch zu sagen wäre…
Natürlich ist während des letzten Monats noch einiges mehr passiert, aber erstens raucht mein Kopf und zweitens will ich euch ja nicht vergraulen, indem ich hier Romane veröffentliche. Hier also ein kurzer Abriss, was sonst noch gesagt werden könnte:

– Ghana hat sich nach einem epischen 6:1 Sieg über den größten Rivalen Ägypten so gut wie sicher für die Fußball-Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien qualifiziert, was hier eine unglaubliche Party ausgelöst hat.

Ghana 6 : 1 Ägypten - Ghanaische Fans im Fußballhimmel

Ghana 6 : 1 Ägypten – Ghanaische Fans im Fußballhimmel

– in knapp vier Wochen sind die Vorlesungen schon wieder zu Ende und wir haben keinen blassen Schimmer, was wir lernen sollen bzw. was wir bei den Zwischen- und Endprüfungen zu erwarten haben, aber irgendwie scheint das niemand so genau zu wissen.

– der „Ghallywood“ Film „The Illuminaty Cult 1&2“ ist wahrscheinlich das größte Stück Filmgeschichte, was ich jemals in meinem Leben gesehen habe. Dieses achte Weltwunder ist auch durch alles Gold-Tutanchamuns nicht aufzuwiegen. Generell sind die hier produzierten Filme nicht nur „low-budget“, sondern so unvorhersehbar erzählt, so raffiniert-realistisch animiert und so uuuuuuglaublich glaubwürdig geschauspielert, dass mir für eineinhalb Stunden die Kinnlade offen stand. Ich kann jedem nur wärmstens ans Herz legen, sich bei YouTube zumindest eine Szene aus einem „Ghallywood“-Film anzusehen… das darf man einfach nicht verpassen.

Ghallywood fom Feinsten - The Illuminati Cult 1&2

Ghallywood fom Feinsten – The Illuminati Cult 1&2

– gleiches gilt für die ghanaisch-nigerianische Hip- und High-Life Musik. Tut euch selbst den Gefallen und hört euch „Bandana – Enter the net“ an… da bleibt kein Tanzbein ruhig. Allerdings gelangt diese Musik erst dadurch zur Perfektion, dass sie mit neuartigen ghanaischen Tanzstilen, wie beispielsweise „Alkayida“ (hierbei besteht trotz sprachlichen Ähnlichkeiten ausdrücklich keine Verbindung zu Terrororganisationen), gepaart wird

– Leider konnten Chris und ich nicht bei der Bundes- und Landtagswahl 2013 teilnehmen, da die Unterlagen nicht rechtzeigit übersandt werden konnten. Wir hatten zwar über einen Monat früher die Briefwahlunterlagen über den diplomatischen Postweg angefordert, sie erreichten uns jedoch erst zwei Wochen nach der Wahl… Dieses immer wieder auftretende Phänomen ist hier unter dem Kürzel „GMT“ bekannt, welcher jedoch nicht Greenwich-Mean-Time, sondern Ghana-Maybe-Time bedeutet.

– mein neues Praktikum bei einem After-School-Care-Program im ärmeren Stadtteil Chorkor, bei dem ich einmal pro Woche arbeite, geht gut voran und macht mir wirklich Spaß. Einige der Mitarbeiter entwickeln sich immer mehr zu echten Freunden, die Atmosphäre ist sehr angenehm und die Kids sind klasse. Dennoch ist mir natürlich bewusst, dass meine Arbeit dort wohl kaum langfristige Früchte tragen wird, was zum Teil natürlich der Tatsache geschuldet ist, dass ich nur einmal pro Woche und nur für einen sehr begrenzten Zeitraum dort aktiv bin. Ich hoffe jedoch, dass die Kids etwas aus dem Musik- und Tanzkurs mitnehmen, welchen ich mit einem weiteren Mitarbeiter leite, und dass ich vielleicht auch einen Einfluss auf das Team haben kann, der hoffentlich positiv ausfällt 🙂
Auch die Umweltbildungsarbeit, welche ich dort übernommen habe und das damit verbundene Etablieren von Recycling- und Kompostierungsmethoden macht mir viel Spaß und birgt darüber hinaus die Möglichkeit, wirklich einen Unterschied zu machen. Dafür muss es mir jedoch gelingen, das Interesse der Mitarbeiter für die Wichtigkeit der Thematik zu gewinnen… es bleibt ein spannender Prozess

Ghana überrascht mich jeden Tag aufs Neue mit kulturellen Herausforderungen und Eindrücken, welche all meine Hirnflüssigkeit, Emotion und Nervenstärke abverlangen. Ich war immer davon überzeugt dass meine Reiseerfahrung, meine Weltoffenheit, meine Toleranz, mein Interesse am Eintauchen in fremde Kulturen und meine persönlichen Einstellungen mir ein Auslandssemester wie dieses erleichtern würden. Ich genieße es jedoch sehr, meine Grenzen immer wieder neu auszuloten und meine Sichtweisen durch die „Westliche-Brille“ in Frage zu stellen und zu reflektieren.
Man kann Ghana aus verschiedenen Perspektiven betrachten und erleben aber eins steht fest: Langweilig wird es hier nie!

Ghana: Immer für eine Überraschung gut…

18 Sept

… Seit fast einem Monat habe ich mal wieder meinen Blog geöffnet und zugegebenermaßen war ich überrascht, dass es tatsächlich schon einen Monat her ist, seitdem ich das letzte mal etwas geschrieben habe. Ich versuche das Geschehene in überschaubaren Impressionen darzustellen:

In chronologischer Ordnung…

müsste ich wohl zuerst von unserem Ausflug nach Kokrobite berichten. Wir sind für ein Wochenende an diesen kleinen Ort am Strand, etwa eine Stunde außerhalb von Accra, gefahren, um uns zu entspannen. Das war die erste etwas längere Tour auf unserer Red-Red-Pearl und die treue Lady hat uns sicher und wohlbehalten durch den staubig-flimmernden Verkehr gebracht. Obwohl mittlerweile etwas touristisch ist es ein schöner Strand und wir hatten gute Musik, gutes Essen, gute Getränke und ein spannendes, entspannendes, lehrreiches und einzigartiges Wochenende.

Kokrobite - Nick und Chris helfen beim Reinziehen eines Fischerbootes

Kokrobite – Nick und Chris helfen beim Reinziehen eines Fischerbootes


Die Vorlesungen…
haben zwei Wochen nach dem letzten Eintrag tatsächlich angefangen. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Papierkrieg und die ermüdende Registrierung ein Ende gefunden haben. Kaum ist ein Kursplan erstellt und wir haben uns damit arrangiert, werden hier und da wieder Vorlesungszeiten geändert oder um Tage verschoben. Die Registrierung der Kurse muss sowohl online, als auch manuell bei den Departments stattfinden. Das wäre nicht sonderlich umständlich, wenn nicht auch noch die Kurs-Codes unterschiedlich wären. Sie müssen jedoch gleich sein, wofür wir einen Antrag auf Ergänzung der Kurse im Online-Katalog beantragen müssen. Mittlerweile wurde die Deadline für die Kurs-Registrierung zum vierten Mal verschoben, da immer wieder Fehler gefunden werden. Hinzu kommt, dass wir für die Vorlesungen Bücher lesen müssen, welche wir aus der Bibliothek ausleihen sollen. Dies ist jedoch nicht möglich, da die Mitarbeiter der Bibliothek sich dazu entschlossen haben, jetzt auch zu streiken. Kopien von den Büchern können wir auch nicht machen, da das Kopier-Personal ebenfalls streikt. Ich habe das Gefühl, dass wir permanent von einem Ort zum anderen Rennen um irgend etwas zu erledigen, jedoch nie wirklich etwas gelingt. Wenn von sechs Vorhaben an einem Tag eins erfolgreich ist, dann fühlt sich das schon wie ein heroischer Sieg an. Versteht mich nicht falsch, ich will gerade nirgendwo lieber sein als an diesem Ort, aber meine Toleranzgrenze wird täglich auf die Probe gestellt und weiter und weiter verschoben.Aber Ghana ist immer für eine Überraschung gut. Interkulturelle Kommunikation par excellence…

Fußball in Ghana…

ist eine große Sache. Besonders die jungen Männer sind verrückt nach Fußball und kennen sich deutlich besser im europäischen Fußball aus als ich. Das einzige, was die generelle Euphorie für diesen Sport noch übersteigt, sind die „Black Stars“, denn geht es um Ghanas Nationalmannschaft, dann wird Euphorie zur Hysterie. Dementsprechend gestaltete sich das WM-Qualifikationsspiel Ghana gegen Zambia, welches wir am Freitag vor zwei Wochen besuchten.
Für diesen Anlass hatte ich mir extra ein Ghana-Trikot mit meinem ghanaischen Namen „Kofi Manu“ bedrucken lassen, was regelmäßig zu ausgelassenen Freude-Ausbrüchen führte. Auch Chris hatte sich eins mit seinem Namen „Kwabena“ bedrucken lassen, was allerdings etwas sehr klein ausfiel und deshalb mit einer Träne im Auge zuhause gelassen wurde. Schon bei der vierstündigen Hinfahrt wurden wir von einigen Ghanaern in den wichtigsten Parolen und Gesängen unterrichtet. „Wo se wope Ghana, Ghana na wopéya. Yieee yieee yieeeeya. Wo se wope Ghana, Ghana na wobénya“ (Wenn du Ghana willst, dann sollst du Ghana bekommen). Obwohl wir noch etwas schläfrig waren packte uns der Glückstaumel und schnell standen wir Arm in Arm mit den Ghanaern auf dem Gang im Bus und grölten die Gesänge, bis unsere Stimmen versagten. Bei jeder Pause wurden mit einem Schmunzeln Wortgefechte zwischen Ghana- und Zambia-Fans ausgetauscht mit dem Resultat, dass gemeinsam Fotos gemacht wurden. Am Stadion angekommen konnten wir uns kaum vor jubelnden Fans oder Verkäufern von Fan-Equipment aller Art retten. Als ob all dies noch nicht genug wäre, wurden wir im Stadion selbst von einer tobenden und pulsierenden Masse überrascht. Vorbei an Wasserverkäufern, Blaskapellen, halbnackten Magiern und kreischenden Fangruppierungen kämpften wir uns zu unseren Plätzen, von denen ich bis heute nicht weiß, wie sie als unsere markiert waren. Das Spiel selber bestand primär aus „hoch und weit bringt Sicherheit“ und 50% der Pässe führten ins Leere. Das war jedoch auch völlig nebensächlich. Das spannende und interessante war die neunzigminütige Party, welche sich auf den Rängen abspielte. Buchstäblich ununterbrochen trommelten und spielten diverse Kapellen, Fans sangen lauthals und klatschten in die Hände, brüllten, stampften, kreischten. Dieses Spektakel wurde in der Pause abgelöst von einer wilden Interaktion zwischen Fans und Verkäufern von Yogo-Eis, Wasser oder diversen Snacks. Geld aus den oberen Reihen wurde durchgereicht bis zu den Verkäufern, welche ihrerseits die geforderten Waren zurückreichten. Alles basierte auf einem unausgesprochenen Regelwerk, welches ich nicht zu verstehen vermochte. Ghana gewann mit 2:1, was die Feier noch intensivierte. Glücklich, heiser, verschwitzt, euphorisch und erschöpft machten wir uns auf den Heimweg, welcher aus 6 Stunden unbequemer Halbschlafphase auf holprigen Pisten bestand. Selten habe ich mich so auf mein Bett gefreut…
Ghana vs. Zambia: Tromme- und Blaskapellen sorgen for ununterbrochene Partystimmung

Ghana vs. Zambia: Tromme- und Blaskapellen sorgen for ununterbrochene Partystimmung


Das unvorhersehbarste Ereignis…
wartete jedoch in der darauf folgenden Woche auf uns. Unsere Kommilitonin und Freundin Sarah war über ihr Praktikum bei der „West-African-Aids-Foundation“ auf ein Projekt aufmerksam geworden, welches uns sehr interessant erschien. Dabei ging es um eine Schule, die zerstört wurde, und wieder neu aufgebaut werden soll. Wir wollten mehr über diese Geschichte erfahren, also trafen wir uns mit der Gründerin der Schule, Regina, welche uns folgende Geschichte erzählte. Sie hatte 2009 die „Adei Foundation“ gegründet, um Kindern in Community 18, einem Vorort von Accra, den Zugang zu Bildung zu ermöglichen. Was mit vier Kindern in Ihrem Wohnzimmer begann wuchs schnell an, sodass Sie bald 150 Kinder unterrichtete und zusätzliche Lehrer einstellen musste. In diesem Zuge mussten auch die Räumlichkeiten vergrößert werden, weshalb direkt neben Ihrem Haus einige provisorische Holzbauten errichtet wurden. Ihr Mann arbeitete für die Regierung und so lebten Sie in einem von der Regierung gestellten Haus. Als Ihr Mann jedoch im Frühjahr 2013 in Rente ging, sollten Sie das Haus räumen. Regina wurde von Ihrem Mann nach 30 Jahren Ehe verlassen, da es ihn zurück zu seinem Stamm in die Volta-Region zog. Gleichzeitig wurden die provisorischen Schulgebäude abgerissen und per Gerichtsbeschluss verkündet, dass Regina das Haus bis zum 30. September 2013 räumen muss. Regina hatte zuvor bereits ein Grundstück erworben und das Fundament für ein neues Haus gelegt. Unter keinen Umständen würde das Gebäude jedoch so schnell errichtet werden können, dass der Schulbetrieb pünktlich nach den Sommerferien zum 24. September 2013 beginnen könnte. Der einzig realistische Plan bestand darin, erneut eine provisorische Lehrstätte auf dem neuen Grundstück zu errichten, und das eigentliche Gebäude innerhalb der nächsten Jahre schrittweise zu konstruieren.
Da uns diese Geschichte bewegte und wir darüber hinaus an dem Projekt interessiert waren beschlossen wir, die Sachlage vor Ort genauer zu betrachten. Als wir die alten, abgerissenen Gebäude sahen war uns klar, dass wir helfen mussten.
Und daran arbeiten Sarah, Nick (ein weiterer Freund und Kommilitone), Chris und ich nun seit zwei Wochen. In jeder freien Minute stehen wir auf der Baustelle und hämmern, sägen etc. bis es dunkel wird. Einiges dauert deutlich länger, als wir uns wünschen würden, anderes jedoch ist plötzlich wie von Zauberhand erledigt. Unterstützt werden wir von verschiedenen Zimmermännern, die sich hier und da mal einen Tag Zeit nehmen und uns mit Expertise zur Seite stehen. Da wir neben den alten Materialien noch weiteres Holz, Nägel etc. kaufen mussten und darüber hinaus die Zimmermänner bezahlen, haben wir Spendenaktionen über Facebook und hier im International Student Hostel gestartet. Darauf gab es eine so überwältigende Resonanz, dass wir innerhalb weniger Tage unser geplantes Budget von 300€ bei weitem übertroffen hatten und tatsächlich dazu aufrufen mussten, doch bitte kein Geld mehr zu überweisen. Obwohl wir ein wirklich gutes Gefühl bei dem Projekt haben, wurden zwischendurch doch Fragen aufgeworfen, die das Projekt zwar nicht gefährdet, aber uns alle doch sehr zum Nachdenken gebracht haben. Dies beinhaltete vornehmlich die Frage, wie Entwicklungshilfe so gestaltet werden kann, dass lokale Bevölkerung befähigt wird und nicht der „weiße Mann“ kommt und die Arbeit erledigt. Wir haben realisiert, dass wir mit den besten Intentionen, aber sicherlich auch naiv an dieses Projekt herangetreten sind. Die Aussicht „Gutes zu tun“ hat uns vergessen lassen, welche Gefahren damit auch verbunden sein können. Entmündigung der lokalen Bevölkerung, die Schaffung oder Verstärkung eines Abhängigkeitsverhältnisses, die Außenwirkung unserer Arbeit, das generelle Bild vom „reichen, gebildeten Weißen“. Die perfekte Entwicklungshilfe besteht darin, dass man sich überflüssig macht. Vier Weiße, die mit Hilfe eines schwarzen Zimmermanns eine Schule errichten, sieht überhaupt nicht nach „überflüssig machen“ aus. Die optimale Lösung dieser Problematik wäre gewesen, dass wir die Community befähigen, die Schule selbstständig zu errichten. Aber wie hätten wir das in dieser kurzen Zeit realisieren sollen? Diese Fragen haben uns viele Tage beschäftigt und unsere Euphorie gedämpft. Wir wussten, dass wir das Projekt durchziehen würden, aber probierten Wege zu finden, um die Community mehr und mehr mit einzubeziehen. Dies gelang uns in kleinen Schritten, indem Regina Plätzchen als Geschenke für die Spender vorbereitete, Selbstständig Spendenaktionen startete, wir sie baten sich an den Kosten zu beteiligen und wir probierten, mehr lokale Arbeiter zu involvieren. Natürlich hätten wir ohne weiteres alles selber zahlen können, da wir wie bereits erwähnt mehr als genug durch die Spendenaktionen erreicht haben. Dies wäre unseres Erachtens jedoch nicht zum Wohle des Ganzen, wenn wir es in einem größeren Rahmen betrachten. Wichtig ist, dass Regina und die Community das Bewusstsein erlangen, dass sie das Projekt realisiert und wir nur geholfen haben. Ob uns dies gelingen wird ist eine andere Frage, jedoch hebt diese Diskussion das Projekt auf eine ganz neue Ebene und wir haben die Gelegenheit, sehr niedrigschwellig das Potential aber auch die Gefahren und Fallen von Entwicklungshilfe kennen zu lernen. Bisher haben wir gute Arbeit geleistet und die Grundkonstruktion der fünf Räume steht. Dennoch hatten wir angesichts der Tatsache, dass wir nur noch eine Woche Zeit haben, einige Sorgen bezüglich der Zeitplanung. Als Chris, Nick und Sarah (ich konnte leider nicht mit, da es mir nicht gut ging) jedoch gestern auf der Baustelle erschienen, hatten Eltern von Kindern, welche die Schule besuchen, bereits einen Großteil der Holzplatten für die Fassaden befestigt, die Trennwände für die Räume eingezogen und der Zimmermann hatte schon mit dem Dach begonnen. Ghana ist immer für eine Überraschung gut;-)
Bauphase der provisorischen Schulgebäude

Bauphase der provisorischen Schulgebäude


Als ob die letzten Wochen aufregend genug gewesen wären…
bin ich gestern mit Schmerzen an den Rippen aufgewacht, die bei jeder Bewegung und jedem Atemzug intensiviert wurden. Ich dachte ich hätte mir vielleicht eine Rippe ausgerenkt und hoffe, dass es sich von selber regeln würde. Den Tag über ging es mir dann immer schlechter, ich bekam Fieber, pulsierende Kopfschmerzen, Schüttelfrost und Hitzeatakken. Obwohl mir bewusst war, dass diese Symptome förmlich nach Malaria schrien, wartete ich weiter ab. Als Chris später von der Baustelle kam packte er mich ein und gemeinsam mit zwei Ghanaern, mit denen ich eigentlich zum Abendessen verabredet gewesen wäre, fuhren wir ins Krankenhaus. Nach einigen Untersuchungen und Tests im Labor bekam ich ganz nonchalant die frohe Botschaft übermittelt. Christopher, Sie haben Malaria und zusätzlich eine Lungenentzündung. Die Gelassenheit, mit welcher der sichtlich ermüdete Arzt mir die Nachricht übermittelte amüsierte mich etwas und beruhigte mich zur selben Zeit. Das Wort Malaria, was unter internationalen Studenten, Europäern, Amerikanern etc. zu regelrechten Panikatakken führt, sorgt hier eher für wenig Aufsehen. Malaria ist an der Tagesordnung. Man weiß, wie es behandelt wird. Man weiß, dass es relativ leicht zu behandeln ist. Man weiß, dass Mücken deutlich gefährlichere Krankheiten übertragen können, als diese. Voll Vertrauen in die Medikamente und überrascht von der Tatsache, dass ich noch nicht einmal für sie bezahlen musste, bin ich wieder nach Hause gefahren und habe mich schlafen gelegt. Am nächsten Morgen bin ich aufgewacht, habe gefrühstückt, Kaffee getrunken, einen Film geguckt, dann zu Mittag gegessen, gelesen, war spazieren und von Malaria war nichts zu spüren. Mein Fieber ist gesungen und ich habe die Schmerztabletten abgesetzt. Wenn ich es nicht schwarz auf weiß gehabt hätte, dann hätte ich nicht geglaubt, dass ich Malaria habe. Trotzdem war ich mir bewusst darüber, dass es die nächsten Tage noch kommen könnte. Das ist es aber nicht, auch am dritten Tag in Folge geht es mir gut und die Malaria-Medizin ist ohnehin leer. Den Schmerz in den Rippen habe ich immer noch, doch was auch immer es verursacht, eine Lungenentzündung ist es mit Sicherheit nicht. Ich weiß, dass es verschiedene Erscheinungsformen von Malaria gibt und vielleicht hatte ich Glück oder habe es schnell genug behandelt oder was auch immer. Was ich erlebt habe war jedenfalls nicht das „Monster von Malaria“, welches Medien und Pharmaindustrie mir bisher vermittelt haben. Ob glücklicher Zufall, Wunder oder Fehldiagnose… was auch immer es ist, ich bin glücklich darüber. Ghana ist immer für eine Überraschung gut 😉

In dem Sinne einen schönen Herbst…

Motorcycle Diaries

19 Aug

… Wie wir bereits vermutet hatten fingen die Vorlesungen letzten Montag noch nicht an. Wir waren zwar in dem entsprechenden Gebäude jedoch erschien kein Professor und auch sonst nur wenige weitere Studenten und die Umbauarbeiten in den Räumlichkeiten waren noch in vollem Gange. Dieses Bild zog sich durch die gesamte Woche und niemand kann uns sagen, ob diese Woche Vorlesungen sein werden oder nicht. Alles hängt davon ab, wann sich die ProfessorInnen Verbände mit der Regierung einigen und das kann theoretisch jede Sekunde oder aber auch erst in drei Wochen der Fall sein. Das alles ist für unsere deutschen Gehirne natürlich etwas viel, aber wir arrangieren uns mit der Situation und warten erst einmal ab! Statt tatenlos und faul auf der Haut zu liegen haben wir uns am Dienstag auf den Weg zum sogenannten „Car Prize“, einer Gegend in Accra, in der gebrauchte und neue Motorräder verkauft werden. Zwar sind die öffentlichen Verkehrsmittel in Accra wirklich rund um die Uhr unterwegs, allerdings brauchen sie auch entsprechend lang um durch den Stadtverkehr zu gelangen. Den Stadtteil Chokor zu erreichen, in dem unsere Praktikumsstelle BASICS liegt, bedeutet mit dem TroTro eine kleine Reise von eineinhalb Stunden. Mit einem Motorrad jedoch lediglich 25 Minuten. In „Car Prize“ angelangt sahen wir uns also nach Motorrädern um, welche dort aus allen Ecken zu bersten scheinen. Nach insgesamt sechs Stunden suchen, verhandeln, abwägen, kleineren Reparaturen und einigen Kochbananen-Snacks gehörte sie uns, die Rote 150ccm starke Schönheit. Im Schweiße unseres Angesichts aber immer mit einem Lächeln auf den Lippen hatten wir es geschafft, den Händler Ken von 1700 Ghana Cedis auf 1050 Cedis (umgerechnet ca 380€) herunter zu handeln. Anschließend half er uns noch dabei, kleinere Reparaturen zu erledigen und Helme zu kaufen. Dann ging es auf die Straße und wir kämpften uns den Weg durch die staubigen, vollgestopften Straßen Accras zurück nach Legon. Es war ein herrliches gefühl und ich fühlte mich zurück versetzt in die Zeit meiner Motorradreisen in Vietnam und Indien. Der Verkehr hier in Ghana ist ähnlich durcheinander, jedoch deutlich strukturierter als beispielsweise in Indien, da die Menschen hier zumindest ein wenig auf Ampeln und Straßenschilder achten, was in Indien überhaupt nicht der Fall war. Dennoch ist auch das Fahren in den Straßen Accras sehr intuitiver Gestalt und weniger nach Regeln ausgerichtet. Es ist wirklich schwierig das Gefühl zu beschreiben, welches ich auf dem Motorrad hatte. Es fühlt sich an alsob ich fliege während permanent Adrenalin durch meinen Körper gepumpt wird. Ich bin mir aber auch bewusst, dass es ein klein wenig verrückt ist, hier Motorrad zu fahren. Ich weiß aus Indien und Vietnam jedoch, was ich mir selbst zutrauen kann, und alles was darüber hinaus geht lasse ich ganz einfach! Jedenfalls verändert unsere „Red Red Pearl“ (eine Mashup-Hommage an das ghanaische Gericht „Red Red“ und den großen „Fluch der Karibik-Sticker“ auf dem Tank) die Art unseres Aufenthalts in Ghana um ein ganzes Stück.

Am gleichen Abend entscheiden wir uns noch dazu, am nächsten Morgen früh zum Sonnenaufgang in den Stadtteil Jamestown zu fahren, um dort das anlanden der Fischerboote zu beobachten. Als der Wecker klingelte entschied sich Chris dafür, liegen zu bleiben, weshalb ich mit Nick und Sarah (zwei Amerikaner, mit denen wir hier mehr unternehmen) allein losfuhr. Beziehungsweise sie fuhren mit dem TroTro und ich hupfte auf die „Red Red Pearl“. Aufgrund der zuvor erwähnten Zeitersparnis im Stadtverkehr war ich eine gute halbe Stunde vor den beiden am alten Leuchtturm in Jamestown. Da ich ohnehin warten musste entschloss ich mich, schon einmal etwas herum zu schlendern. Eine Frau sprach mich an, ob ich nicht ein Baby mit ihrer Tochter machen wollte, was ich dankend ablehnte. Dann zückte ich kurz die Kamera, welche ich eigentlich nur ungern raushole, um ein Foto von dem Leuchtturm zu machen. Im nächsten Moment kamen zwei Ghanaer auf mich zugestürmt und drängten mich zum Leuchtturm, um mir ein Schild zu zeigen, auf dem sehr verblasst und kaum erkennbar geschrieben stand, dass Fotos hier verboten seien. Ich entschuldigte mich und bat an, das Foto zu löschen, sie wurden jedoch immer aufgebrachter und sagten, dass ich nun eine Geldstrafe zahlen müsste. Als ich ablehnte es direkt zu zahlen und verlangte, zum entsprechenden Verwaltungsgebäude geführt zu werden, holten sie eine kleine Bank für mich heran und sagten, ich müsse eineinhalb Stunden warten. Da saß ich also und wartete etwas angespannt, während die zwei Kollegen mich fragten, warum ich denn auf ihr Winken und ihre Obroni-Rufe am Anfang nicht reagiert habe. Ich versuchte ihnen deutlich zu machen, dass es mir als Weißem hier an jeder Ecke passiert, dass mir zugewunken wird und Leute mich mit Obroni ansprechen und das dies der Grund sei, warum ich nur zurück gewunken hätte anstatt zu ihnen zu laufen. Das alles half jedoch nichts. Nach circa zwanzig Minuten wurde ich dann in das Verwaltungsgebäude geführt, wo drei Männer auf mich warteten, die von allen anderen Anwesenden mit Höchlichkeitsgesten begrüßt wurden. Daraus schloss ich, dass sie wohl etwas höhere Posten in der Dorfgemeinschaft in Jamestown innehaben mussten, weshalb auch ich sie äußerst höflich gebrüßte. Sie fragten mich nur, was mich zu ihnen führe, und schwiegen. Offensichtlich erwarteten sie, dass ich etwas sagen würde. Ich erzählte also den Vorfall obwohl ich sicher war, dass sie wussten, worum es hier ging. Ich entschuldigte mich bis zum Erbrechen und sagte, dass es nicht mehr vorkommen würde. Sie erwiederten daraufhin, dass ich zuerst zu ihrem Gebäude hätte kommen sollen, da es sich um eine kleine und traditionelle Gemeinschaft handelt und Fotos dort ohne einen entsprechenden Führer nicht gern gesehen werden. Ich versicherte, dass mir das nicht klar gewesen sei und fragte, wie denn nun das weitere Vorgehen sei. In der Zwischenheit waren auch Nick und Sarah eingetroffen und ich hatte sie zu mir in das Gebäude gerufen. Nach einigem Überlegen sagte mir der mittlere der drei Männer, welcher offensichtlich die höchste Position innehatte, dass ich 200 Cedis zahlen müsste, was circa 80€ entspricht. Ich erwiederte, dass ich so viel Geld nicht bei mir hätte und darüber hinaus zwar eine Geldstrafe akzeptieren würde, jedoch nicht in dieser Höhe. Daraufhin zückte ich die 15 Cedis (7€), welche ich in meiner Tasche hatte und beteuerte, dass ich mehr nicht dabei habe. Das Extrageld, welches ich immer im Rucksack mit mir trage, verschwieg ich. Nach vielem hin und her akzeptierten sie das Angebot und fragten mich, ob ich denn jetzt noch einen Führer wolle, der mit uns kommt um Fotos zu machen. Ich lehnte dankend ab und betonte, dass mir das Fotos-schießen für heute vergangen sei. Dies verstanden sie nicht ganz, führten mich aber noch in dem Gebäude herum und stellten mit dem Dorfältesten vor, der sehr freundlich war. Überhaupt war das skurrile an der Situation, dass sie die gesamte Zeit über sehr freundlich zu mir waren und man fast den Eindruck gehabt haben könnte, dass sie überhaupt nichs böses wollen. Ich weiß jedenfalls immer noch nicht genau, was ich von der ganzen Szenerie halten soll. Ich könnte mir vorstellen, dass der erste Teil der Geschichte (dass es verboten ist Fotos zu machen, damit die Dorfgemeinschaft nicht gestört oder kommerzialisiert wird) der Wahrheit entspricht und diesen Wunsch kann ich absolut nachvollziehen. Fest steht aber, dass die Geldstrafe komplett willkürlich gewählt war und ich bin mir sicher, dass der ein oder andere Tourist so verblüfft und verängstigt ist, dass er die 200 Cedis bezahlt. Das alles hat mir jedenfalls den Morgen schon einmal gründlich versaut und ich war relativ mies gelaunt. Immerhin konnte ich das Foto vom Leuchtturm behalten und es wird mich wohl mein Leben lang an diese skurrile Situation erinnern.
Als wir runter an den Strand liefen und uns durch die kleinen Hüttengassen bis zum provisorischen Hafen schlängelten wurde meine schlechte Laune jedoch peu à peu abgebaut. Obwohl wir viele der Boote verpasst hatten herrschte noch Hochbetrieb. Die Boote wurden im tieferen Wasser gelassen und schwankten bedrohlich in den Wellen, während Männer im brusthohen Wasser mit Körben auf den Köpfen standen und die Fische von den Booten entgegennahmen. Das alles hatte eine magische und unwirkliche Ausstrahlung. Rund um das Geschehen standen die Dorfbewohner, und nahmen auf unterschiedlichste Arten Anteil an dem Spektakel. Dort stand ich bestimmt eine Stunde, sah dem Treiben zu und ließ meine Gedanken schweifen. Zwischendurch wurden wir von den Bewohnern angesprochen, die sich kurz mit uns unterhielten oder auch nur lächelten und anschließend wieder im Treiben verschwanden. Gegen Ende wurde ich von einem älteren Herrn namens Samuel angesprochen, mit dem ich einige Sätze wechselte. Dann fragte ich ihn, ob er einen guten Ort zum frühstücken wüsste, da wir mittlerweile hungrig geworden waren. Er sagte, dass ich dafür in die Stadt müsste. Daraufhin lächelte ich und sagte, dass ich nicht nach einem Restaurant fragen wollte sondern vielmehr danach, was er denn so in der Gegend frühstücken würde. Erstaunt sah er mich an, sprang sofort etwas mühsam von der Rehling seines Bootes und sagte wir sollen ihm folgen. Durch die engen Gassen führte er uns zu einer kleinen Hütte, vor der in brodelnden Schalen diverse speisen angeboten wurden. Wir entschieden uns für Yam, ein Süßkartoffelartiges Knollengemüse, welches in dicken Scheiben serviert wird. Dazu gab es grünes, spinatartiges Gemüse und Fisch. Und das alles für 1 Cedi pro Person (35 Cent). Das Frühstück entpuppte sich als eine wahre Geschmacksexplosion und wir konnten gar nicht aufhören zu lächeln. Während wir aßen kamen viele der Bewohner zu uns, grüßten uns kurz und gingen dann weiter ihrer Wege. Die Köchin des herrlichen Gerichts nahm unsere Komplimente lächelnd und mit gewissem Stolz und den Augen entgegen und Samuel entpuppte sich als Stahlarbeiter, der jedoch in jeder freien Minute seine Trommel auspackt uns sich lieber darüber identifiziere. Am Ende gab er mir seine Telefonnummer und ich versicherte, dass ich wiederkommen würde. Als Sarah ihm dankte und ihm etwas Geld für die nette Führung anbot lehnte er dankend ab und versicherte, dass es ihm eine Ehre gewesen sei.

Diese Begegnung, die Atmosphäre im Herzen der Fischergemeinde und das köstliche Frühstück ließen mich alle Strapazen und Unannehmlichkeiten des Morgens vergessen. Zurück ging es auf dem Motorrad durch die mittlerweile deutlich volleren und lauteren Straßen Accras und raus auf den Madina Highway bis nach Legon…

Um etwas Abstand von dem Chaos an der University of Ghana zu bekommen beschlossen wir gemeinsam mit Sarah, Marcela, Iseah und Nick (vier International Students mit denen wir recht viel unternehmen) nach Akosombo am Volta Stausee zu fahren. Der Volta Stausee deckt einen Großteil von Ghanas Strombedarf und war der größte Stausee der Welt bis vor einigen Jahren der Three Gorges Dam in China fertig gestellt wurde. Einige Kilometer flussabwärts entspannten wir uns im Aylos Bay Guesthouse, saßen auf ins Wasser gebauten Pavillions, oder beförderten uns mithilfe der Tarzanschaukel in das erfrischende Nass.

Seit gestern sind wir wieder am Campus und waren heute pünktlich um 9:30 in der „Developmental Psychology I“ Vorlesung, aber kein Professor war da….

In dem Sinne euch allen einen guten Wochenstart!

Accra und Cape Coast

12 Aug

… Seit dem letzten Post ist schon wieder so viel passiert, dass ich gar nicht weiß wo ich anfangen soll. Die Ereignisse des fünften Tages in Accra erscheinen mir jedoch passend, um diesen Eintrag zu beginnen. Chris Jürgensen bemerkte morgens, dass 100 Cedi (Ca 35 €) aus seinem Geldversteck verschwunden waren. Wir dachten uns zunächst jedoch nichts dabei und gingen Frühstücken, schließlich hätte er das Geld ja auch verlegen oder in einer anderen Hosentasche haben können. Als wir vom Frühstück zurückkehrten wollte die 200 USD aus meinem Rucksack holen, um sie bei der Bank umzutauschen. Leider waren jedoch auch diese verschwunden. Nun wurden wir ein klein wenig panisch und meldeten den Vorfall bei der Rezeption des Student Hostels. Dort bat man uns, ein Schreiben aufzusetzen und die Geschehnisse in einigen Zeilen darzustellen. Viel mehr passierte jedoch nicht! Das Erstaunliche war, dass keinerlei Einbruchspuren zu erkennen waren und der Dieb genügent Zeit gehabt haben muss, um in aller Ruhe unsere Verstecke zu finden. Desshalb waren wir uns sicher, dass irgend jemand den Schlüssel zu unserem Zimmer haben musste, zumal uns beim einchecken nur einer ausgehändigt wurde. Bei jedem Gang aus dem Haus hatten wir deshalb das mulmige Gefühl, dass eine uns fremde Person nach Belieben in unserem Zimmer ein und ausspazieren konnte. Als auch am nächsten Tag noch keine Reaktion zu erkennen war informierten wir den Assistant Registrar des International Programms, welcher das Problem als erster wirklich ernst nahm und sofort Maßnahmen einleitete. Der Hausmeister kümmerte sich binnen kürzester Zeit darum, dass unser Schloss komplett ausgetauscht wurde. Der positive Nebeneffekt, den die Dringlichkeit unser Angelegenheit hatte, bestand darin, dass der Hausmeister sich auch endlich um die Aufhängung unser Mosquito Netze kümmerte, worum wir ihn zuvor jeden Tag vergelbich gebeten hatten. Jetzt haben wir zwar unser Geld nicht wieder, aber können zumindest ohne Sorge aus dem Haus gehen und ohne Angst vor nächtlichen Malariaüberfällen von Seiten der Mosquitos einschlafen.

Der Rest der Woche verlief relativ ruhig. Wir hatten Orientierungsveranstaltungen, in denen uns das Leben am Campus, grundsätzliche Regeln für das Verhalten in Ghana und weitere nützliche Dinge vermittelt wurden. So ist es beispielsweise sehr wichtig, dass bei jeder Interaktion die rechte Hand verwendet wird, da die linke als schmutzig angesehen wird. Dies beinhaltet die Übergabne von Geld oder Gegenständen, selbstverständlich die Begrüßung aber auch weniger offensichtliche Handlungen wie beispielsweise die Gestik. Im Alltag ist es für mich noch schwierig, immer daran zu denken, was manchmal zu etwas komischen Situationen führt. Uns als Obronis (weißen Menschen) werden Fehler wie diese jedoch noch leicht verziehen. Die Sache mit den Obronis ist auch eine eigene Geschichte. Auf den Straßen passiert es des Öfteren, dass Einheimische einem Obroni zurufen, was so viel wie „weißer Mensch“ bedeutet und synonym für Ausländer verwendet wird. Am Anfang hat uns das verwirrt und etwas genervt, bis uns ein Ghanaer erzählt hat, dass es überhaupt nicht böse gemeint ist, da das Wort „Ausländer“ nicht negativ konnotiert ist wie in vielen westlichen Ländern. Die beste Art und Weise auf derartige Ausrufe zu reagieren ist, Obibini zurück zu rufen, was schlicht und ergreifend „schwarzer Mensch“ bedeutet. Sofort fangen alle Beteiligten an zu lachen und die Situation ist so entspannt und angenehm, wie man es sich nur vorstellen kann. Trotz aller Orientierungsveranstaltungen waren wir am Ende der Woche etwas überfordert mit der Wahl unserer Kurse. Zunächst mussten wir zum International Programms Office um uns online für Kurse zu registrieren und unsere Studenten-Karten entgegen zu nehmen. Das Problem war nur, dass einige der Kurse, welche wir wählen wollten, online nicht aufgeführt wurden und erst nachgetragen werden mussten. Später stellten wir fest, dass die online Registrierung im Prinzip nutzlos ist, da wir uns ohnehin noch manuell eintragen müssen, zu diesem Zeitpunkt versetzte uns das jedoch etwas in Stress. Wir wählten Kurse vom Social Work Department und darüber hinaus noch einen weiteren im Feld Psychologie und einen Sprachkurs in Twi. Anschließend mussten wir zu den einzelnen Departments laufen, was wie bereits beschrieben eine kleine Wanderung für sich ist. Beim Social Work Department fanden wir auch tatsächlich die Zeittafeln für die entsprechenden Kurse vor und trugen uns manuell für die Kurse ein. Dies setzte einen erneuten Papierkrieg voraus und es dauerte gute zwei Stunden bis wir endlich registriert waren. Beim Psychologie und Linguistik Department hatten wir jedoch weniger Glück, da die Zeittafeln noch nicht veröffentlicht waren. Dies alles unter Berücksichtigung der Tatsache, dass in wenigen Tagen die Vorlesungen beginnen sollten.

Um uns davon zu erhohlen und das letzte Wochenende vor Vorlesungsbeginn bestmöglich zu genießen beschlossen Chris und ich, für drei Tage nach Cape Coast zu fahren. Diese kleine Stadt ist etwa 150 km westlich von Accra an der sogenannten Goldküste lokalisiert. Ihren Namen verdankt die Küste dem Umstand, dass dort zur Zeit der Kolonialisierung viel Gold gefunden wurde. Um dorhin zu gelangen mussten wir jedoch zunächst eine kleine Odyssee auf uns nehmen. Mit dem TroTro fuhren wir von der Universität im Stadtteil zunächst zum Circle und anschließend weiter zur Station Kanneshi. Diese Fahrt dauerte aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens in der Stadt jedoch fast eineinhalb Stunden. Dort stiegen wir in ein weiteres TroTro in Richtung Cape Coast. Der kleine Minivan wurde mit Menschen und Gütern so voll gestopft, dass wir für drei Stunden völlig verkrampft dasaßen und nach circa einer halben Stunde unsere Beine nicht mehr spüren konnten. Darüber hinaus wurden wir zweimal von der Polizei angehalten, was jedes mal zu großen und ausartenden Wortgefechten im TroTro führte, deren Inhalt ich zu gerne verstanden hätte. Dafür lief jedoch die ganze Fahrt ein schräger Ghalliwood-Film (wie die in Ghana produzierten Blockbuster genannt werden), welcher die Fahrt um ein vielfaches erleichterte und uns die Schmerzen in den Knien vergessen ließ. Als wir endlich an der vermeidlichen Station in Cape Coast ankamen bestürmten Taxifahrer das TroTro und stritten sich lautstark um ums als Passagiere. Eine Frau im TroTro riet uns jedoch dazu, bis zur Endstation im TroTro zu bleiben und erst von dort ein Taxi zu nehmen. Dies führte wiederum zu heftigen Streits zwischen der edlen Dame und allen Insassen des TroTros einschließlich der heranstürmenden und schimpfenden Taxifahrer. Endlich riss der TroTro fahrer die Tür zu und wir fuhren weiter, ohne jedoch den Streit im Auto ausklingen zu lassen. Auch hier hätte ich zu gerne die Gespräche verstanden, stattdessen saßen wir nur etwas beklommen und benommen da und warteten darauf, endlich aus dem TroTro aussteigen zu können. And der Endstation schüttelten wir dann alle Taxifahrer ab und liefen zum Baobab-Guesthouse, welches wir auch schnell fanden. Wir bekamen auch tatsächlich noch ein schönes Zimmer in dem gemütlichen Guesthouse, und nach einem reichen Abendessen und einem kühlen Star-Bier sah die Welt schon wieder viel einladender aus. Das Baobab Guesthouse ist Teil einer deutschen NGO und alles erwirtschaftet Geld fließt in eine Foundation, welche Waisenkindern und körperlich benachteiligten Kindern eine Schulbildung ermöglicht. Darüber hinaus wird eine Kunst-Schule unterhalten, in welcher die Kinder künstlerische und handwerkliche Fähigkeiten erlernen. Die dort produzierten Gegenstände werden in einem Shop verkauft, welcher sich ebenfalls in dem Baobab Guest House befindet. Hier werden beispielsweise Portemonnaies aus recycelten Wasserbeuteln, Bambusmöbel oder handgemachte Seifen verkauft. Insgesammt herrscht eine wirklich entspannte und einladende Atmosphäre und ich kann jedem der in Cape Coast landet nur raten, hier zumindest einmal vorbei zu schauen und einen echten Kaffee zu genießen.

Nun aber zurück zur reichen Historie dieses Städtchens. Neben Gold waren Sklaven das größte Exportgut, welche aus ganz West und Zentral Afrika an die Goldküste gebracht und anschließend in die neue Welt verschifft wurden. Zurück geblieben aus dieser Zeit sind große Kolonialbauten und Schlösser entlang der Küste, welche zunächst als Sklavnlager und in späteren Jahrhunderten als Regierungssitze und Verwaltungsgebäude der Kolonialmächte fungierten. Das Herz von Cape Coast ist ein eben solches Schloss. Es wurde zunächst von den Portugiesen im 15. Jahrhundert errichtet, dann 1637 von den Dänen übernommen und umgebaut und wurde anschließend weiter an die Schweden und letztendlich an die Britischen Kolonialmächte verkauft. Während der zwei Jahrhunderte unter britischer Führung fungierte das Cape Coast Castle als Regierungssitz, bis Accra im Jahr 1877 zur Hauptstadt erklärt wurde. Heute ist das Cape Coast Castle eine eindrucksvolle Gedenkstätte mit einem reichen Museum über die Geschichte West Afrikas und den Sklavenhandel. Es war wirklich beklemmend, die unterirdischen Katakomben zu betreten, in denen mehrere hundert Sklaven für bis zu drei Monate festgehalten wurden, bevor sie nach Europa oder Zentral Amerika verschleppt wurden. Kein Tageslicht, keine Sanitäranlagen, kaum Essen und Trinken. Die Zustände, welche hier geherrscht haben mussten, sind für den menschlichen Verstand wohl kaum nachzuvollziehen. Besonders betroffen machte mich der direkte Vergleich zwischen den engen, dunklen Gefängniszellen der Sklaven und den einladenden und weitläufigen Gouverneurs-Räumen im Obergeschoss. Die Tour endete mit einem Gang durch das „Gate of no return“, durch welches die Sklaven auf die Schiffe gingen, ihre Familien zurück lassen mussten und nie zurück kehrten. Dieser Einblick in das, was die Europäter den Einheimischen angetan haben, hat mich sehr nachdenklich und traurig gestimmt. Was hat die Weißen dazu veranlasst, sich automatisch als höher stehende Rasse zu betrachten? Was hat sie dazu veranlasst, diese Menschen in ihrem eigenen Land wie Gefangene zu halten und wie Vieh zu bahandeln? Diese Fragen brennen mir auf der Seele und bleiben doch unbeantwortet.
Von den Geistern der Vergangenheit ist heute jedoch nicht mehr viel zu sehen. Das Städtchen ist gemütlich und weniger hecktisch als Accra. Köstlicher Fisch, kleine Gassen, verlockende Gerüche und lange Strände laden dazu ein, für einige Tage die Seele baumeln zu lassen.

Trotz der beklemmenden Stimmung beschlossen wir deshalb, einige Stunden unter den Palmen am Strand zu verbringen und die Sonne zu genießen. Da wir es uns angewöhnt haben wie die Einheimischen in langen Hosen herum zu laufen, war es eine Wohltat endlich mal die käsigen Beine in die Sonne zu strecken. Wirklich schwimmen konnten wir jedoch leider nicht, da die Wellen sehr hoch waren und ein sehr starker Sog herrschte. Chris wagte sich einmal bis zum Oberkörper ins Wasser und wurde umgehend von einer Welle erfasst und wie in einer Waschmaschine herumgeschleudert. Abends spazierten wir durch die spärlich beleuchteten Gassen und genossen die Vielzahl an köstlichen Gerüchen, welche von den Street-Food Ständen zu uns strömten.

Am nächsten Tag trafen wir beim Frühstück eine Gruppe von Norwegerinnen und Koreanerinnen, welche mit uns im International Programm an der University of Ghana studieren. Wir hatten uns eigentlich bewusst dafür entschieden, dieses Wochenende nicht mit einer großen Traube von Weißen unterwegs zu sein, da in kleinen Gruppen viel einfacher ist, authentische Erlebnisse zu haben. Hinzu kommt die Tatsache, dass Gruppenprozesse und Entscheidungen auch auf Reisen oftmals sehr kräfteraubend sind, und wir das Wochenende einfach nur entspannen wollten.
Die Mädels wollten jeoch wie wir zum Kakum National Park und so entschlossen wir uns, doch gemeinsam mit ihnen zu gehen. Leider fuhren am Sonntag nur wenige TroTros, also mussten wir wohl oder übel mit Taxis zum circa eine Stunde entfernten Nationalpark fahren. Der Kakum ist einer der kleinsten Nationalparks in Ghana, der überwiegend aus Primär- und Sekundärwald besteht. Auf dem Papier leben hier über 300 Vogelarten, 600 Schmetterlingsarten und eine Vielzahl weiterer exotischer Tiere wie beispielsweise diverse Affen, Leoparden oder Elefanten. Tatsächlich kann man jedoch froh sein, wenn man überhaupt einen Affen oder einen Vogel zu Gesicht bekommt. Das eigentliche Highlight des Kakum National Parks ist der „Canopy Walk“. Hierbei handelt es sich um einen Weg aus Hängebrücken, welcher in bis zu 40 Metern höhe durch die Wipfel der Urwaldriesen führt. Ich hatte einen solchen Canopy Walk schon einmal in Süd-Ost-Asien besucht und wusste deshalb, wie aufregend ein solcher Weg ist. Wie erwartet genossen atemberaubende Ausblicke über den Regenwald und die Reise hat sich trotz der vergleichsweise hohen Eintrittskosten von 20 Cedi (was etwa zehn Abendessen entspricht) wirlich gelohnt.

Anschließend fuhren wir zurück nach Cape Coast und machten uns von dort auf den Weg nach Accra. Diesmahl nahmen wir jedoch nicht das TroTro, sondern die lokalen Metro-Busse, welche nicht nur wesentlich bequemer, sondern darüber hinaus auch noch günstiger waren. Hätten wir das mal vorher in Erfahrung gebracht 😉
Jetzt sind wir wieder im International Students Hosten in Legon und theoretisch haben wir heute um 17:30 Uhr unsere erste Vorlesung in „Victomology“. Keiner weiß jedoch so recht, ob diese Woche überhaupt schon Vorlesungen stattfinden, die meißten ghanaischen Studenten sind noch gar nicht hier und darüber hinaus ist ein Professoren-Streik ausgerufen. Wir werden also sehen, ob da heute überhaupt irgend jemand außer uns zwei Obronis erscheint.
Auch haben wir letzte Woche eine Einrichtung im Stadtteil Chokor besucht, in der wir ein Praktikum absolvieren werden, dazu aber zu einem anderen Zeitpunkt mehr. So langsam fängt es also an ernst zu werden, ich habe jedoch noch nicht so wirklich realisiert, dass ich in Ghana nicht auf Reisen bin, sondern Accra für ein halbes Jahr mein tatsächlicher Wohnsitz darstellt.

Sobald jedoch die Vorlesungen regulär laufen und das Praktikum uns voll in Anspruch nimmt, wird sich dieses Gefühl schon einpendeln.

Bis dahin genieße ich noch die Unbeschwertheit eines Reisenden und lasse euch zurück mit einigen bildhaften Impressionen 😉

PS: Die Bilder sind leider in ziemlich schlechter Qualität, aber auch so hat das uploaden schon knapp 3 Stunden gedauert also bitte ich um Nachsicht…

Akwaaba Ghana

2 Aug

Hallo ihr Lieben,
vor drei Tagen sind (Christopher Jürgensen und ich) hier in Accra, Ghana gelandet, um unser Auslandssemester an der University of Ghana zu beginnen.
Die Universität ist etwas außerhalb der Innenstadt im Vorort Legon lokalisiert und ist dementsprechend umgeben von Grünflächen und verhältnismäßig zu den Straßen Accras sehr ruhig. An unserem ersten Tag haben wir versucht, uns auf dem Campus etwas zurecht zu finden. Nie in meinem Leben habe ich einen so großen Campus gesehen. Wir sind ungefähr eine Stunde herumgelaufen und haben im Endeffekt nichts von dem gefunden, was wir eigentlich gesucht hatten. Schließlich haben wir immerhin das International Programms Office entdeckt, was für uns als ausländische Studenten zu Beginn eine der wichtigsten Anlaufstellen ist. Das Department of Social Work, an dem wir demnächst studieren werden, haben wir bisher jedoch noch nicht gefunden. Untergebracht sind wir in einem der International Student Hostels auf dem Campus. Hierbei handelt es sich um vierstöckige Gebäude mit einem einladenden Innenhof und geschätzten 30 Doppelzimmern auf jeder Etage. Die Zimmer selbst sind zwar spartanisch eingerichtet, weisen aber alles nötige Mobiliar auf und haben sogar einen Balkon. Die anderen International Students, welche wir bisher kennen gelernt haben, sind soweit nett und umgänglich…aber im Moment befinden wir uns alle noch in der Schnupperphase.
Gleich am ersten Abend haben Chris und ich ein hervorragendes Reisgericht mit Hähnchen an einem Straßenstand gegessen, welches unglaublich gut gewürzt war. Trotz meines vermeidlichen Pferdemagens ist dies gleich am nächsten Tag in einer leichten Diarrhoe ausgeartet, was den köstlichen Geschmack des Gerichtes jedoch in keinster Weise schmälert 🙂 Gestern haben wir dann unseren ersten Ausflug in die Stadt unternommen. Die öffentlichen Verkehrsmittel bestehen aus Taxis oder sogenannten TroTros, kleinen Minivans, welche bis auf den letzten Centimeter mit Menschen aufgefüllt werden. Letztere fahren bestimmte Routen innerhalb des Stadtgebietes, welche für uns bisher jedoch in keinster Weise ersichtlich sind. Wir fanden jedoch ein TroTro, welches uns zur Tamma Station in Accra Central brachte. Die Fahrt an sich war schon ein Erlebnis für sich. Während der ca. einstündigen Fahrt stiegen ständig Menschen ein und aus, wir hatten keine Ahnung wo wir waren und zwischenzeitlich waren 25 Personen in dem Minivan. Dennoch war es unglaublich spannend und schön, auf diese Art und Weise in die Stadt zu fahren, anstatt ein Taxi zu nehmen. Darüber hinaus ist diese Art der Fortbewegung in Accra mit Abstand die günstigste. An der Entstation stiegen wir aus und fragten uns durch bis zum Makola Marked, welches der größte Markt in Accra ist. Wir betraten einen Hauseingang mit der Aufschrift Makola und fielen buchstäblich in eine Welt hinein, die so von außen nicht zu erwarten war. Es erstreckte sich ein riesiger, verwinkelter Markt, welcher alles im Angebot hatte, was während eines Menschenlebens gebraucht wird. In diesem Markt verliefen wir uns, schlenderten herum, genossen die vielfälgite und prächtige Atmosphäre und fragten nach entsprechenden Sektionen um beispielsweise Kochtöpfe zu kaufen, welche wir für die Gemeinschaftsküche brauchen. Nach gefühlten 4 Stunden stolperten wir wieder genau so aus dem Markt heraus, wie wir hineingekommen waren. Nach einem kurzen Blick auf den Atlantischen Ozean begaben wir uns wieder ins TroTro richtung Legon Campus und erreichten trotz bedingter Orientierungslosigkeit wohlbehalten unser Ziel. Mein lieber Bruder Hannes hat mir einen Spruch mit auf den Weg gegeben, welchen er seinerzeit bei seiner Reise nach Tansania bekommen hat: „Wer reisen will, muss Vertrauen haben“. Vertrauen in Menschen, Vertrauen auf das eigene Gefühl und Vertrauen darauf, dass eine schützende hand über mir gehalten wird. Ich habe zwar noch nicht wirklich realisiert, dass Accra für das nächste halbe Jahr mein Zuhause sein wird. Ich bin jedoch davon überzeugt, dass dieses Vertrauen mir auch hier eine unvergessliche, erlebnisreiche und spannende Zeit bescheren wird. Diese Woche werden wir noch einige Einführungsveranstaltungen haben und ab dem 12. August beginnen dann die Vorlesungen, auf die ich wirklich sehr gespannt bin.

In dem Sinne liebe Grüße aus Ghana, fühlt euch gedrückt und bis zum nächsten Mal.

PS: Fotos habe ich noch keine gemacht, die gibts dann sicherlich beim nächsten Eintrag 😉
PPS: Falls es euch mal zu lange dauert, bis ich wieder was schreibe und ihr unbedingt sofort mehr über unseren Aufenthalt wissen wollt, dann schaut doch mal bei Christopher Jürgensens Blog vorbei: ghanagolem.wordpress.com

Jaipur – Varanasi – Kolkata – Hampi

17 Mär

…Als wir genug von Udaipur hatten beschlossen wir, wie die alten Nomaden Rajastans weiterzuziehen… allerdings ohne Kamel.
Den ersten Abend des Holi Festes, an dem traditionell an vielen Strassenecken hohe Feuer gemacht werden, verbrachten wir noch in Udaipur.

Dann stiegen wir in den Nachtzug nach Jaipur, gut ausgeruestet mit allerlei Trockenfarben….wir wussten was uns erwarten wuerde.
Als wir Jaipur erreichten lag die Stadt noch ruhig und irgendwie fast gespenstisch da. Wir fuhren zu unserer Unterkunft und anschliessend in die Pink City, die alte historische Innenstadt Jaipurs. Ihren Namen hat sie von den Farben der Haeuser, die seit Maharajatagen Pink getuencht sind. Dass ich die Farbe eher fuer braun-orange als Rosa halte sei hier mal nebensaechlich.

Langsam erwachten die Strassen, grosse Zuege von Menschen kamen aus dem Tempeln und die Schlacht konnte beginnen.
Mal sehr sanft, dann eher wieder grob bekamen wir die Farbe ins Gesicht geklatscht und verteilten mit den Worten „Holi kisup kamne“ (happy Holi) natuerlich auch reichlich Segnungen aus unseren Farbbeuteln.
Binnen kuerzester Zeit waren wir und alle Menschen um uns herum bis zur Unkenntlichkeit mit roten, gruenen, silbernen, gelben und rosanen Farben bedeckt.
Das wohl schoenste am Holi Festival ist, dass es vielleicht der einzige Tag im Jahr ist, an dem es keine Unterschiede zwischen den Menschen zu geben scheint. Bettler, Bankies, Schueler, Strassenkinder, Haendler, Rikshawfahrer, Touristen…. Alle sehen fuer einen Tag ziemlich gleich aus!

Als wir vorerst genug von dem Spektakel hatten und unsere Gesichter von der Farbe brannten fuhren wir in unser Guesthouse und schrubbten mehr oder weniger erfolgreich die Farbe von unseren Koerpern.
Als wir abends erneut in die Pink City fuhren war nichts mehr los. Keine Menschen, keine Farben, nur hier und da noch Kuehe und die gespenstische Atmosphaere des Morgens lag wieder auf der Stadt.
Am naechsten Tag besichtigten wir noch einige Sehenswuerdigkeiten wie beispielsweise den City Palace, in dem bis heute die koenigliche Familie und der erst 15 jaehrige Maharaja lebt, der allerdings keine Macht mehr hat.

Mit dem Zug fuhren wir weiter nach Varanasi, die heilige Stadt der Hindus direkt am Ganges, im Herzen von Uttar Pradesh.
Hier hatte mein erster Indienaufenthalt in Form eines Praktikums begonnen und hierher kam ich immer wieder zurueck.
Die Stadt ist eine faszinierende Mischung aus Hindutradition und Moderne. Waehrend die Altstadt an den Ghats sehr traditionell ist, wartet etwas ausserhalb der Stadt die Benares Hindu University mit internationaler Bildung auf.
Waehrend an den Burning-Ghats 24 Stunden am Tag oeffentlich Menschen verbrannt werden, werden etwas ausserhalb verschiedenste Veggi-Burger im McDonalds Family Restaurant verspeist.
Von Moderne spuert man aber nichts, wenn man sich in der Altstadt aufhaelt.
Die engen Gassen, die von Kuehen verstopft werden. Geschaefte, die von Gewuerzen oder Seidenstoffen ueberquellen. Die Ghats mit den unzaehligen Booten. All das versprueht einen ganz besonderen Charme.
Varanasi hat mich schon lange in seinem Bann, Johannes jetzt auch und vielleicht geht es so jedem Besucher dieser raetselhaften Stadt.

Nach vier Tagen rissen wir uns los vom Zauber Varanasis und fuhren ueber Nacht nach Kolkata im Osten Indiens.
Die zweitgroesste Stadt Indiens und ehemalige Hauptstadt des indo-englischen Reiches wirkte auf uns wie ein etwas ruhigeres Mumbai. Viele prunkvolle Bauten im Stil der Raj-Architektur und englisch anmutende Taxen.
Das Streetfood, bestehend aus Reis, Fisch, Gemuese und Suessteilchen bildete den Kontrast, der in dieser oder anderer Form in Indien allgegenwaertig ist.
Da wir hier nur einen kurzen Stop von einem Tag hatten, bevor es weiter nach Sueden ging, schlaenderten wir eher planlos durch die Strassen.
Wir besichtigten Kathedralen, bestaunten die Architektur, assen oder ruhten uns in Parks aus, die etwas von verlassenen Freizeitparks hatten.
Sliesslich besichtigten wir das Victoria Memorial, ein prunkvolles Bauwerk aus weissem Marmor umgeben von einem weitlaeufigen Garten. Wir haben gelesen, dass es wohl zu den schoensten Gebaeuden Indiens zaehlen wuerde, sei es nicht gerade einer englischen Koenigin sondern vielleicht besser einer indischen Prinzessin gewidmet.
So lassen die Inder es lieber hinter sich, wie die Besatzerzeit, und das Bauwerk geraet ein Wenig in Vergessenheit.
Nach weiteren Stunden eher ziellosen Herumstraeunerns stiegen wir wieder in den Zug.

Zwei Naechte und ein ganzer Tag, 36 Stunden Zugfahrt warteten auf uns. Als Kroenchen auf den koeniglichen Schaedel war unsere Bank kaputt, was nach wenigen Minuten zu Rueckenschmerzen fuehrte.
Die Nacht verbrachten wir schlafend auf unseren Pritschen und den Tag….naja eigentlich auch.
Je weiter wir in den Sueden kamen, desto heisser wurde es. Wir merkten es am deutlichsten daran, dass wir vor lauter Hitze nicht schlafen konnten. Mir ging es nicht gut und auch Hannes fuehlte sich schlapp. So vegetierten wir den Tag ueber im Zug, tranken viel viel Wasser und erwarteten sehnsuechtig den kuehlen Abend.
Gegen Nachmittag stiegen ploetzlich viele Menschen zu und unser Abteil, nein der ganze Wagon war gerammelt voll. Ueberall sassen, lagen und standen Menschen. Die Hautfarbe der Mitreisenden wurde dunkler, kaum einer sprach noch Englisch und die Weizenfelder wichen saftig gruenen Reisfeldern.

Endlich erreichten wir Hospet im Bundesstaat Karnataka und fuhren von hier weiter nach Hampi, unser Ziel. Schon frueh morgens war es fast unertraeglich heiss. Die naechsten Tage erwarteten uns bis zu 40 Grad.
Hampi ist ein kleines Nest, umgeben von Palmen, Bananenplantagen, Reisfeldern und Bergen aus riesigen, rostfarbenen Felsbrocken, die ein maechtiger Vulkanausbruch einst durch die Gegend geschleudert haben muss. Alles wirkt etwas mystisch, malerisch…fast unecht.
Der Grund, um nach Hampi zu kommen, sind aber primaer die verlassenen Ruinen die hier ueberall verstraeut herumstehen.
Hier stand einst die Vijanyanagara, die Hauptstadt eines praechtigen und bluehenden Koenigreichs. Im 16. Jahrhundert war die STadt eine Metropole mit ca. einer halben Millionen Einwohnern und geschaeftigen Basaren, auf denen Haendler und Waren aus aller Welt zu finden waren. DAs alles endete 1565, als die vereinten Heere der Dekkan-Sultanate Vijayanagare eroberten und pluenderten. Von diesem Todesstoss erholte es sich nicht mehr und heute ist in den Ruinen der Tempel und Gebaeude nur noch ein Hauch von der Macht und Schoenheit zu spuehren.
Anders als in uns bekannten historischen Staetten sind die Ruinen hier nicht abgeschirmt sondern greifbar und freu erkundbar. Das hat natuerlich fuer uns Vorteile, bringt aber Schwierigkeiten beim Denkmalschutz mit sich. Auch in Hampi selbst stehen viele Ruinen, in die viele Einheimische ihre Wohnungen gebaut haben. Dies alles bildet ein etwas bizarres Bild. Hier sind wir jetzt seit drei Tagen und erkunden die Gegend mit Motorraedern oder klettern auf die Berge, in die Ruinen und bestaunen die Ueberbleibsel einer Dynastie.
Leider geht es Hannes wieder schlechter und er kann nicht so viel erkunden. Das Streetfood in Kolkata war vielleicht doch etwas viel fuer seinen angeschlagenen Magen.

Heute ist unsere letzte Woche in Indien angebrochen und morgen machen wir uns auf den Weg an die Kueste, um an weiten Straenden nochmal so richtig zu entspannen und Sonne zu tanken, bevors wieder in den deutschen Alltag geht.
Bis dahin machts gut, bis in einer Woche!!!

India….again!

6 Mär

Mein lieber Bruder Johannes und meine Wenigkeit haben uns vor gut einer Woche nach Indien aufgemacht. Er zum aller ersten Mal und ich….man kann fast sagen mal wieder!

Mumbai, die Hauptstadt Maharashtras, empfing uns mitten in der Nacht mit stickiger, staubiger und von Dueften geschwaengerter Luft. Mit einem der typischen gelb-schwarzen Taxen, die ein Ueberbleibsel der Englaender aus dem vergangenen Jahrhundert sind, fuhren wir nach Colaba, dem Herz und Zentrum Mumbais.
Bis auf ein paar vereinzelte Touristen und Strassenkindern war niemand mehr unterwegs und wir quartireten uns in einer etwas schaebigen Absteige ein.

Die folgenden Tage nutzten wir, um uns im indischen Dschungel der Grosssadt zurecht zu finden, akklimatisierten uns allmaehlich und bestaunten die prunkvollen architektonischen Meisterwerke, die ein Mix aus Raj-Dynastie und Besatzerzeit wiederspiegeln.
Wir erkundeten die eher weniger touristischen Stadtteile, fuhren zum Beispiel zu den Mahalaxmighats, an denen tagtaeglich fast alle Klider der stadt von Hand gewaschen werden oder stoeberten durch riesige Maerkte auf denen von Fleisch ueber Gemuese bis hin zu Plastikschrott und ledernen Sandalen alles feilgeboten wurde.

Nach drei Tagen verliessen wir die Stadt und fuhren per Zug nach Ahmedabad im Bundesstaat Gujarat, noerdlich von Mumbai.
Hier blieben wir nur einen Tag, nutzten aber die Gelegenheit, um fernab vom touristischen Treiben Mumbais so richtig auszuspannen. Wenn wir nicht grade Aloo Palak assen oder die ruhige Atmosphaere in der wunderschoenen Moschee genossen, lagen wir in einem Park und schliefen, zumindest wenn wir nicht von einer Horde Schulkinder umlagert wurden.

Von Ahmedabad fuhren wir ueber Nacht nach Udaipur im Herzen Rajastans. Zum Sonnenaufgang tranken wir Chai an den vergitterten Fenstern des Zuges und blickten in die duerre, huegelige Landschaft die an eine Mischung aus Provance und Kandahar (so wie ich es mir vorstelle) erinnerte.
Udaipur selbst fasst ca. 350.000 Einwohner und ist somit fuer indische Verhaeltnisse recht klein. Die engen, unruhigen Strassen sind vollgestopft mit Handkarren, Motor-Rikhsaws und Haendlern die etwas uebermotiviert versuchen massgeschneiderte Anzuege, Lederwahren, Rupees zu guten Wechselkursen oder Drogen an den Mann oder die Frau zu bringen.
Doch hat man sich erstmal durch das Getuemmel gekaempft erstreckt sich der malerische Pichola See, fuer den die ehemalige Koenigsfamilie einst extra ein Dorf fluten lies.
In der Mitte des Sees ist ein Palast, der heute als Hotel dient. Er war einst Schauplatz im James Bond Film Octopussy, was die Stadt als Aushaengeschild fuer Touristen genutzt hat. Dementsprechend wird in jedem zweiten Hostel abends dieser Film gezeigt.

Wir haben uns ein schoenes Guesthouse etwas Abseits auf der anderen Seite des Sees gesucht. Von den gemuetlichen Sitzkissen unseres Rooftoprestaurants haben wir einen tollen Blick auf das Herz der Stadt, den City Palace. Er ist bis heute Wohnsitz der koeniglichen Familie des Mewar-Koenigreichs und wurde 1559 vom damaligen Machthaber Maharana Udai Singh II gebaut. Ueber die Jahrhunderte wurde er staetig erweitert und bildet heute einen etwas unueberschaubaren Komplex aus Palaesten.

Hier sind wir nun seit fast fuenf Tagen. Eigentlich wollten wir schon frueher weiterziehen, doch die spezielle „Indische Entschlakkungskur“ die Johannes eher ungewollt durchlebt „zwingt“ uns zum rasten. Doch Udaipur ist eine gute Stadt zum verweilen und wir nutzen die Zeit um die Tempel, den Palast, die Stadt zu erkunden oder einfach auf unserem Rooftop zu relaxen und Lassi zu schluerfen (Ich zumindest, Johannes ernaehrt sich nahezu ausschliesslich von Wasser und trockenem Brot oder Reis 😉 ) Dass wir etwas laenger hier sind bietet ausserdem die Moeglichkeit mit Einheimischen in Kontakt zu kommen, was sonst eher etwas schwierig ist. Die meissten wollen einem in Endeffekt leider oftmals etwas verkaufen, was die ganze vorangegangene Unterhaltung in den Schatten zieht.
Nachdem wir eine Shopbesitzerin kennen gelernt hatten wurden wir gestern beispielsweise zu ihr nach Hause zum Essen eingeladen, was eine wirklich schoene Erfahrung war. Das Essen war spitzenklasse und wir hatten die Chance etwas mehr in die Kultur, das Leben und die Mentalitaet der Menschen einzusteigen.

Morgen beginnt in ganz Indien das Holi-Fest. Es geht ueber mehrere Tage und besteht im Grunde hauptsaechlich darin, sich gegenseitig mit Farbbeuteln oder Trockenfarben bis zur Unkenntlichkeit zu bewerfen. Es klingt genauso lustig wie es ist und dementsprechend warten wir mit ganz Indien sehnsuechtig auf den Tag an dem die Schlacht endlich beginnen kann.

Wir werden Holi in Jaipur, Rajastans Hauptstadt verbrinen. Morgen Nacht werden wir uns im Zug aufmachen und diese traumhafte Stadt hinter uns lassen.

Bis dahin danjabad und shubrati, eine gesegnete Nacht!

Von Bergen, Magenverstimmungen und Wundern

1 Mär

Nachdem wir uns nach knapp einer Woche tatsaechlich von Kakarbhitta losreissen konnten, brachte uns eine 15 stuendige Fahrt in Nepals Hauptstadt, Kathmandu.
Wir orientierten uns an den Aussagen des Reisefuehrers und erwarteten eine versiffte, versmogte Grossstadt, in der man den Himmel vom Staub und Dreck nicht sehen kann. Als wir am naechsten Morgen aufwachten, schien die Sonne durch die tummelnden, bunten Strassen dieser quirligen, kleinen Grossstadt. Kathmandus Touristenghetto Thamel ist zwar sehr auf die Beduerfnisse der Auslaender zurechtgeschnitten, hat sich aber trotzdem einen gewissen Charme beibehalten, der in uns dreien Wohlsein erweckte. Hier liessen wir es uns einige Tage richtig gutgehen, was nach all den Magenproblemen auch wirklich mal noetig war. Wir bummelten viel in den Strassen herum und besuchten Sehenswuerdigkeiten wie die von den alten Kaisern erbaute Altstadt mit ihren Palaesten oder die Boudha Stupa, ein typisches buddhistisches Bauwerk und Pilgerstaette der Exiltibeter in Nepal. Kathmandu hat uns aber auch seine dreckigen Seiten gezeigt. Die im Dreck versinkenden Familien in den baufaelligen Huetten am versifften Flussufer. Auf der ganzen Reise habe ich, soweit ich weiss, nie so viel Muell auf einem Berg gesehen, wie hier am Ufer des heiligen Baghmati Flusses. Manchmal frage ich mich, wie ich nach solchen Bildern und Erlebnissen wieder frohen Mutes in mein Hotel zurueckkehren und mein Abendessen zu mir nehmen kann. Eine Antwort darauf habe ich in diesem halben Jahr nicht gefunden.
Trotzdem waren es schoene Tage, auch wenn die Power Cuts im Stromnetz hier noch extremer waren als in Kakarbhitta. Unser Hostelvater erzaehlte mir, dass vor knapp zwei Jahrzehnten, also zur Zeit der letzten regierenden Koenige, zwei Stunden am Tag kein Strom vorhanden war. Jetzt, da eine demokratisch gewaehlte Regierung an der Macht ist, gibt es ca 18 Stunden am Tag keine Power in den Leitungen. Das Problem ist naemlich nicht die Stromversorgung im Lande (Nepal ist nach Brasilien das Suesswasserreichste Land der Welt und hat somit enorme Kraftwerke) sondern schlicht und ergreifend die Korruption und der illegale Verkauf von Energie in andere Laender. Man schaetzt, dass nicht einmal 20% des fliessenden Geldes im Lande letztendlich von der Quelle zum gedachten Empfaenger kommt.
An unserem vorerst letzten Tag in Kathmandu hab ich meine Kamera in einem Taxi liegen gelassen. Alle Bilder weg, ich hatte schon seit einiger Zeit keine Sicherheitskopie mehr gemacht. Ich haette mir selber in den Arsch gebissen, wenn es menschenmoeglich gewesen waere. Wie bekloppt rannten wir durch die Strassen von Kathmandu und suchten das Taxi und bei vielen tausend Taxen standen unsere Chancen prozentual gleich null. Ploetzlich sagte Caro, dass sie das Taxi wiedererkennt. Wir sahen auch den Fahrer, der sich erst versteckte und sich dann bedeckt gab, indem er natuerlich von einer Kamera nichts wuesste. Wir durften natuerlich auch das Auto durchsuchen, sein glasiger und angespannter Blick verriet ihn aber. Mit Nachdruck, Drohungen und Geldangeboten (und einigen lieben Worten von Caro 😉 ) schafften wir es schliesslich tatsaechlich, die Kamera wieder zu bekommen. Als Erinnerung unseres „Wunders von Kathmandu“ ist nun ein Foto des jungen Taxifahrers geblieben, was er nach dem Fund seines Lebens geschossen hat.

Nach dieser (bis auf den letzten Tag) Erholungsphase in Kathmandu machten wir uns mit dem Bus auf nach Pokhara, 200 Kilometer kurvenreichste Strasse und 7 Stunden Fahrt entfernt. Jetzt sehnte ich mich nach meinem Motorrad, die bergige Umgebung und die Strasse waren einfach nur perfekt. Pokhara liegt direkt am idyllischen Pewa See, umgeben von Bergen und mit dem atemberaubenden Panorama des ueber 8000 Meter hohen Annapurna Massifs. Hier sind wir jetzt seit einer Woche und entspannen weiter, bevor es dann letztendlich wirklich nach Hause geht. Eigentlich wollten wir einen vier Tage langen Trekk machen, bei dem uns aber eine erneute Lebensmittelvergiftung (diesmal in Martins Koerper) in die Quere kam. Also unternahmen wir ganz entspannte Tageswanderungen oder mieteten uns Motorraeder, um die Gegend zu erkunden. Gestern hat uns unserer Hotelchef eingeladen, mit ihm einen Trekk zum Australian Basecamp zu unternehmen.
Nach einer Stunde steil bergauf oeffnete sich ploetzlich die Sicht und zum Vorschein kamen die uebermaechtigen Berge des Annapurna und Machapuchare, die von hier zum greifen nah schienen. Wirklich ein unglaubliches Erlebnis, welches in mir den Entschluss geweckt hat auf jeden Fall wieder hierher zu kommen.

Es ist komisch jetzt, nach fast einem halben Jahr, zu realisieren, dass es in wenigen Tagen wirklich wieder in die Heimat geht. Ich freu mich, all meine Lieben wieder zu sehen, aber dieser Reise den Ruecken zu kehren bringt auch ein weinendes Auge mit sich. Schon verrueckt, wie die Ferne vor der Reise das Unbekannte war und nun die Heimat unbekanntes und fast beaengstigends in mir hervorruft.
Ich habe die Lebensarten in der asiatischen Welt kennen und lieben gelernt und mich so daran gewoehnt, dass ich daheim wohl einen umgekehrten Kulturschock erleiden werde.
Ach mal sehn, erst einmal gilt es, hier die letzten Tage noch voll auszukosten.
Bis bald ihr alle, und diesmal ist es wirklich bald…..

Und ich sag: „eeeey, ab in den Norden….“

16 Feb

Nachdem wir die Wueste auf den Ruecken unserer Kamele, die eigentlich Dromedare waren, genuegend erkundet hatten, fuhren Simon, Lisa, Andi und ich weiter ins Inland, nach Jodhpur.
Den Namen „blaue Stadt“ verdankt Jodhpur den Brahman Haeusern, die fast alle blau angestrichen sind. Vom alten Fort, welches prachtvoll ueber der Stadt thront, sieht die Stadt aus, wie ein Ozean. Leider durften wir zu fortgeschrittener Stunde nicht mehr ins Fort, und der Waechter liess sich auch mit Nachdruck nicht davon ueberzeugen, dass es noch nicht geschlossen ist. Von einer der Stadtmauern erhaschten wir aber doch einen Blick auf das sagenhafte Panorama.
Am selben Abend trennten sich unsere Wege auch schon, da ich mich in den Zug nach Delhi gesetzt hab, um Carolin vom Flughafen abzuholen. Der Rest der Truppe wollte weiter nach Varanasi, wo wir uns in einigen Tagen treffen wollten.
Nach all den wochen auf dem Motorrad war der indische Zug mal wieder eine angenehme Abwechslung. Das Rauchverbot konnte ich diesmal umgehen, indem der Schaffner (verbotenerweise) einfach mit mir geraucht hat…so gehts also auch.
Am naechsten Morgen erreichte ich Delhi und machte mich auf die Suche nacheinem Hotel, was trotz touristischen Verhaeltnissen am Main Bazaar einige Stunden gedauert hat. Nach all den eher ruhigen Gegenden ueberforderte mich die Grossstadt wieder etwas, man gewoehnt sich halt doch nicht an diese Welt.
Noch einmal schlafen, und dann gings voller Vorfreude zum Flughafen. Hier hat sich im Vergleich zum esten Mal, als ich hier war (2007) alles veraendert. Statt dem schaebigen Flughafen protzt hier nun ein nagelneues Gebaeude aus dem Boden und Rikshaws sind am Flughafen verboten. Ich musste sogar 80 Rupees Eintritt zahlen, was ca 16 Chais entspricht, um ueberhaupt in die Arrival Hall zu duerfen. Die Commonwealth Spiele letztes Jahr haben die Regierung wohl zum Aufraeumen gezwungen.
Endlich oeffnete sich die Tuer und ich sah Caro kommen, doch irgendwas verwunderte mich. Neben ihr lief ein kleiner Mann mit Hut, der irgendwie bekannt aussah. Martin hatte eine Woche vorher entschieden, einfach mitzukommen, was natuerlich die Ueberraschung des Jahres war. Gemeinsam trieb es uns nun durch Delhi, was interessant war, da ich duch Martins staunende Blicke fuer alles am Strassenrand auch wieder realisierte, wie extrem anders hier alles ist und dass ich mich nach fast 5 Monaten nur irgendwie daran gewoehnt hab.
Gemeinsam fuhren wir nach Varanasi, 12 (bzw im Endeffekt 15) Stunden Zug. Hier wieder anzukommen war gewohnt und ungewohnt zugleich. Caro und ich waren beide schonmal hier (sie 2008 und ich 2007) und haben in Varanasi ein Praktikum gemacht. Hier jetzt wieder zu sein war einfach nur der Hammer. Wieder im gleichen Familienguesthouse zu wohnen, die Menschen wiederzusehen, die Strassen und Ghats wieder zu gehen, den Geruch von Gewuerzen und Scheisse wieder an den Ecken in der Nase zu haben. Hier wollten wir erstmal einige Tage bleiben. Varanasi ist die heiligste Stadt der Hindus und die aelteste der ganzen Welt. Wer hier an den burning Ghats am Ganges seine letzte Ruhe findet, entflieht der Reinkarnationsspirale und kommt direkt ins Nirvana. Varanasi hat fuer mich einen unbeschreiblichen Flair und einfach eine krasse Anziehungskraft und ich hab mich sofort wieder verliebt. Der Kontrast zwischen der absoluten Vermuellung des Ganges und den Hindus, die beim morgendlich rituellen Bad mit der braunen Suppe gurgeln geht mir immernoch nicht in den Kopf, wie so vieles in Indien. Andi, Simon und Lisa hatten einige Powertage auf dem Motorrad verbracht, und waren schon vor uns da. Mit Andi, Caro und mir waren nun 3 Jahre (06, 07, 08) soziale Arbeit in der „Learn for Life“ Schule im Uma Guesthouse versammelt, was dem Ganzen noch das I-Tuepfelchen aufsetzte. Gemeinsam hatten wir wunderschoene Tage in Varanasi.
Caro, Martin und ich machten uns dann am 13.02. (nach einem koestlichen Abschiedsessen mit der Familie) auf in den Norden, nach New Jalpaiguri. Von dort aus wollten wir mit dem Jeep nach Darjeeling, eine Region in den Auslaeufern des Himalaya,welche fuer ihren Tee bekannt ist.
Das letzte Mal, als ich mit Semjon 2007 nach Darjeeling wollte, kam unser Zug selbst nach 26 Stunden Wartezeit nicht, was die Reise lahmlegte. Diesmal sassen wir im Zug, was schonmal gut war. Nachts erreichten wir New Jalpaiguri und erfuhren, dass Darjeeling gesperrt ist, da ein Generalstreik und politische Unruhen die Region seit Wochen blockieren. Na toll, aber so schnell wollten wir uns nicht geschlagen geben. Wir nahmen erstmal ein billiges Hostel und wollten am naechsten Tag nochmal etwas stochern. Erstmal verschlechterte Caros Gesundheitszustand sich aber ueber Nacht, weshalb wir ins Krankenhaus mussten um zur Sicherheit einen Malariatest zu machen. Ein Krankenhaus hier kann man sich nicht vorstellen, wenn man es nicht gesehen hat. Von Hygiene kann nicht die Rede sein und nach einigen Stunden wurde die Verkuendung der Testergebnisse auf den naechsten Tag verschoben. In Punkto Darjeeling war immernoch nichts zu machen, also beschlossen wir, uns jetzt schon ueber die Grenze nach Nepal zu bewegen. Nach langwierigen Preisverhandlungen, bei denen unsere Verhandlungsposition sichtlich schlecht war, sassen wir im Auto nach Kakarbhitta, die erste Ortschaft hinter der nepalesischen Grenze.
Hier sind wir jetzt seit einigen Tagen und haengen fest, da Carolins Zustand immernoch nicht besser ist und auch Martin und ich etwas angeschlagen sind. Malaria ist es schonmal nicht, was uns hier in einem 5 minuetigen Test versichert wurde…Nepal ist irgendwie anders 😉
Ansonsten hat diese Ortschaft nichts zu bieten und es kommt fast etwas Langeweile auf. Nepal macht einen ganz neuen Eindruck. Durchschnittlich 14 Stunden am Tag gibt es hier keinen Strom, da korrupierte Organisationen, die bis in die Regierung reichen, Power abzweigen und anderweitig verkaufen. Ausserdem schlaeft hier um 7 uhr alles, was die Abendgestaltung etwas unabwechslungsreich macht. Doch die Menschen sind offen, freundlich und laecheln den ganzen Tag. Kaum hatten wir die Grenze ueberschritten, wurden wir nicht mehr angequatscht und niemand hat am Ende eines interessanten Gespraeches versucht, uns etwas zu verkaufen. So langsam wirds aber Zeit, dass wir weiterkommen und mit der Gesundheit siehts auch schon besser aus. Wir alle sind gespannt auf Nepal, die Krone der Welt.
Dhanyabaad und pheri betaaula,
euer Christopher (und unwissender Weise auch Martin und Carolin)